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Nachtblüten

Nachtblüten

Titel: Nachtblüten
Autoren: Magdalen Nabb
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junge Dame die einzige in der Siedlung war, die keine hatte.
    »Alle Ihre Nachbarn haben gültige Waffenscheine, Signorina. Aber wenn Sie sich ein bißchen weiter hinauslehnen, sobald die Ballerei losgeht, dann könnten Sie vielleicht feststellen, aus welchem Haus die Schüsse kommen. Andernfalls…«
    »Gestern hat er gleich zwei erwischt. Die eine ist tot, die andere hat eine Schrotladung im Rücken. Ich habe sie gefunden und in die Tierklinik gebracht, aber sie ist gelähmt, und ich weiß, ich werde sie einschläfern lassen müssen.«
    Noch eine Katze. Diesmal eine Vermißtenanzeige: »Hat sich nicht eingewöhnt im neuen Haus, die Mieze. Das hat man doch oft bei Katzen, nicht wahr? Sie muß über die Mauer in die Boboli-Gärten gelangt sein, und da dachte ich, wo Sie doch gleich nebenan sitzen… also ich habe Ihnen ein Foto mitgebracht. Den schwarzen Fleck an ihrem Knie, den können Sie gar nicht übersehen. Ihre Männer gehen doch Streife im Park?«
    »Nein, nein, bedaure… Aber wenn Sie das Foto einem der Gärtner geben – die füttern zweimal am Tag die Katzen im Park –, und ich bin sicher, sie werden die Ihre finden.«
    Eine gestohlene Kamera, angezeigt in Zeichensprache: »Sprechen Sie Deutsch?«
    »Lorenzini!«
    Trotzdem, als er an diesem Nachmittag um halb sechs die Fenster öffnete und die Läden aufstieß, durfte er sich gratulieren, denn es sah so aus, als könne er den Rückstand noch an diesem Abend aufarbeiten. Aber hatte er nicht noch etwas vergessen, irgendeinen Besuch, den er für diese Woche zugesagt hatte? Später, als er den Dienstplan für den nächsten Tag zusammenstellte, setzte ihm das vermeintliche Versäumnis immer noch zu, und als er den Plan fertig hatte, fiel es ihm wieder ein: die Frau mit der Postkarte. Nichts Dringendes, aber er hatte ihr versprochen, diese Woche vorbeizukommen. Wenn er nicht erschien, würde sie sich erst recht ängstigen, weil er sie mit falschen Versprechungen in Sicherheit gewiegt hatte. Er stand auf und nahm seine Jacke vom Haken hinter der Tür. Da klingelte das Telefon. Capitano Maestrangelo vom Präsidium.
    »Einbruch in der Villa L’Uliveto, Sir Christopher Wrotheslys Anwesen oben auf dem Pian dei Giullari, hinter der Piazzale Michelangelo… fällt also noch in Ihren Zuständigkeitsbereich. Offenbar nur eine Bagatelle, aber Sie sollten trotzdem mal nach dem Rechten sehen. Ich hole Sie in zehn Minuten ab. Sie haben doch keine dringenderen Termine?«
    »Nein, nein…«
    Der Maresciallo knöpfte seine Jacke zu und warf einen Blick ins Bereitschaftszimmer. »Lorenzini?«
    »Maresciallo?«
    »Ich muß weg. Wenn was ist, können Sie mich über Capitano Maestrangelos Autotelefon erreichen. Kleiner Einbruch. Nichts Aufregendes.«
    Lorenzini machte ein skeptisches Gesicht. Wann hätte der Capitano je seinen Schreibtisch wegen eines Einbruchs verlassen, egal ob klein oder groß?
    »Ah, aber hier geht es um einen ausländischen Bürger von Rang. Da macht man halt ein bißchen Druck, um Eindruck zu schinden.«
    »Hm.«
    »Sie könnten den Dienstplan fertigmachen…« Trotzdem, dachte der Maresciallo, als er hinter sich abschloß, widerstrebend die Treppe hinabstieg und sich gegen das schwüle Treibhaus dort draußen wappnete: Mit Druck allein war dieser Einsatz nicht zu erklären. Vielleicht eine persönliche Gefälligkeit, aber der Capitano… Dann stand er auf der Piazza, und der immer noch unbarmherzig herniederbrennende Sonnenball im Verein mit der aufgestauten Hitze, die aus den mächtigen Steinquadern des Palazzo Pitti entwich, setzten ihm derart zu, daß er keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte und nur noch auf Selbstschutz bedacht war. Also kramte er Taschentuch und Sonnenbrille hervor und wechselte von dem glutheißen Platz in den Schatten der Arkaden.
    3
    H itze und Stille. So heiß, daß selbst die Vögel verstummten. Und das rhythmische Fideln der Grillen betonte nur das bleierne Schweigen ringsum. Capitano Maestrangelo und der Maresciallo warteten vor dem Seiteneingang, zu dem sie der Pförtner verwiesen hatte, der ihren Wagen hereinließ und über die Zypressenallee zur Villa dirigierte. Wie man es von den Landhäusern der Medici her kennt, führte auch hier eine doppelläufige Freitreppe hinauf zum Hauptportal auf der Beletage. Das Anwesen war einst von einer kaum minder berühmten Bankiersfamilie erbaut worden. Der Capitano blickte zur Balustrade empor, wo Statuen und antike Urnen in den dunstig blassen Himmel ragten. Der Maresciallo spähte
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