Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtblüten

Nachtblüten

Titel: Nachtblüten
Autoren: Magdalen Nabb
Vom Netzwerk:
hinunter auf die schwefeligen Schmutzschwaden, die die Stadt einhüllten. Wer es von den Hügeln herab so schön und wehrlos dort liegen sah, unfähig, all den Smog auszuhusten, an dem es erstickte und verfiel, der mußte einfach Mitleid haben mit Florenz.
    »Wer so was nicht mit eigenen Augen gesehen hat, macht sich keine Vorstellung…« murmelte der Capitano bewundernd.
    »Wie recht Sie haben.« Der Maresciallo seufzte und sah zu Boden.
    »Es tut mir unendlich leid, daß Sie warten mußten. Bitte verzeihen Sie mir. Hier entlang, bitte.« Der Mann, der ihnen die Tür öffnete, war Jeremy Porteous, Sir Christophers Sekretär. Als die beiden sich vorstellten, schüttelte er erst dem höherrangigen Offizier zuvorkommend die Hand, dann kurz und ohne ihn anzusehen dem Maresciallo. Sie folgten ihm in eine kühle, kreisförmige Halle mit einem untätigen Springbrunnen in der Mitte. Der Maresciallo nahm seine dunkle Brille ab, doch bis seine Augen sich an das dämmrige Licht gewöhnt hatten, erkannte er nur flüchtig eine geschwungene Steintreppe und Teile eines Mosaikfußbodens. Über einen Korridor, wo eine schwache Glühbirne in einem kunstvoll gearbeiteten Kronleuchter nur auf sich selbst aufmerksam machte, gelangten sie in einen weitläufigen Raum, wo das Licht einer stärkeren Birne auf schlicht bemalte Schränke und einen rustikalen quadratischen Tisch fiel. Offenbar war dies der Küchentrakt. Hier machte Porteous halt, wandte sich nach ihnen um und sagte: »Sir Christopher wird Sie im Garten empfangen. Ich denke, ich sollte Sie darauf hinweisen, daß es ihm nicht gutgeht und jede Aufregung gefährlich für ihn sein könnte.«
    »Weiß er von dem Einbruch?« fragte der Capitano.
    »Das schon, aber wir sind alle der Meinung, daß wir ihn nicht auf den Gedanken bringen sollten, jemand von seinem festen Personal könnte darin verwickelt sein. Das würde ihn wesentlich mehr belasten als der Verlust des gestohlenen Gutes… besonders im Falle eines ganz bestimmten jungen Mannes… jede Enttäuschung von dieser Seite… Kurzum, was immer Ihre Ermittlungen ergeben, wir wären dankbar, wenn Sie Ihre Schlußfolgerungen erst uns anvertrauen würden. Ich bin sicher, Sie verstehen mich…«
    Ach, wirklich? Und wen meinte er mit ›wir‹? Der Maresciallo hatte bereits eine Abneigung gegen diesen Mann gefaßt. Ein Händedruck kann viel verraten. Nicht, daß der seine schlaff oder feucht gewesen wäre. Er war irgendwie zu… elegant und ein bißchen zu warm und klebrig für den Geschmack des Maresciallos. Und als er ihn jetzt betrachtete, während er dem Capitano detaillierte Anweisungen gab, fand er diesen Mann insgesamt zu geschniegelt, und obwohl er groß und schlank war und seine Nase spitz zulief, wirkte alles andere an ihm ausgesprochen weich. Weiche Haut, weiches, graumeliertes Haar, weicher, legerer Anzug, aus Seide vermutlich, weiche, kultivierte Stimme. Und dieses Parfüm! Der Maresciallo trat einen kleinen Schritt zurück. Seine Anwesenheit war ohnehin nicht von Bedeutung. Porteous wandte sich ausschließlich an den Capitano.
    »Es war, wie gesagt, nur ein sehr leichter Schlaganfall – zwei, drei Tage war er etwas verwirrt, konnte weder lesen noch die Uhrzeit erkennen oder sich erinnern, was er gerade gesagt hatte, aber er wußte durchaus, wie es um ihn stand, und das war sehr beängstigend für ihn.«
    »Das läßt sich denken«, sagte der Capitano, »so was muß in der Tat beängstigend sein.«
    Der Capitano war selbst ein Mann von Eleganz. Ernsthaft und gesetzt. Aber gewiß kein Weichling. Ganz im Gegenteil.
    »Inzwischen hat sich sein Zustand wieder stabilisiert. Aber die Ängste sind geblieben.«
    »Verständlich.«
    »Und darum braucht er Ruhe und muß jede Aufregung vermeiden. Vorsichtshalber benutzt er einen Rollstuhl, den wir außerhalb seines Blickfeldes verstauen, sobald wir ihn in seinen Sessel gesetzt haben. Er ist sehr stolz und erwähnt seinen Zustand mit keinem Wort, weshalb ich Sie herzlich bitten möchte…«
    »Sie können ganz beruhigt sein«, unterbrach ihn der Capitano. Und der Maresciallo, der ihn gut kannte, hörte die höflich kaschierte Ungeduld aus seiner Stimme heraus. Falls Porteous sie auch bemerkt hatte, ließ er sich davon nicht beirren, sondern schwatzte weiter über Sir Christophers Abneigung gegen Ärzte und Sir Christopher dies und Sir Christopher das und Sir Christopher jenes. Der Maresciallo fühlte sich an jemanden erinnert. Er stutzte einen Moment, doch dann fiel es ihm ein: an
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher