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Das letzte Rodeo

Das letzte Rodeo

Titel: Das letzte Rodeo
Autoren: Manuela Martini
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    Über dem Warrego Highway flimmert die Luft. Während Margret Livingston mit der rechten Hand lenkt, zündet sie sich mit der linken eine Zigarette an. Schmeckt trocken wie Staub, stellt sie fest. Der Laden in dem Motel in Roma, sechshundert Kilometer von Brisbane entfernt, wo sie auf dem Anmeldezettel besonders groß und deutlich ihren Namen hinterließ, verkaufte wohl kaum ihre Marke. Die Sonne brennt, der rote Wind bläst von Westen. Es ist gleich zwei Uhr mittags. Pete, der sich seit Jahren um den Swimmingpool kümmert, wird inzwischen bestimmt die Polizei verständigt haben.
     
    Morven: Hundertsechzig  Kilometer, steht auf dem Schild. Noch Hundertsechzig Kilometer bis nach Hause. Die Polizei wird sicher noch da sein.
     
    Dabei hatte damals alles so romantisch angefangen.
    „Du musst unbedingt mitkommen. Zum Rodeo. Da singe ich. Vor all den Leuten!“, hatte er gesagt, Mel, Mel Livingston.
     
    Sie war zwanzig und er war neun Jahre älter. Natürlich ist sie mitgekommen. Stieg ein in seinen rostigen Pritschenwagen. Zwängte sich auf den Sitz neben ihn. Im Kreuz seine Gitarre und hinter sich auf der Ladefläche ein Hund. Sein Wagen rumpelte, vor ihnen streckte sich die orangeschimmernde Sonne zwischen Wolkenlaken aus. Und seine starke Hand strich zwischen ihren Schenkeln entlang bis ihr schwindlig wurde.
     
    Drinnen auf der Tribüne beim Rodeo, wackelten die Balken und die Bretter. Die Männer brüllten und rochen nach Bier und Schweiß. Doch sie fühlte sich sicher. Ihre Mädchenhand in seiner Männerhand.
     
    Plötzlich: Der Rodeoreiter knallt in den Sand, verliert seinen weißen Hut, bleibt liegen. Männer stürzen auf den Stier zu, der mit seinen Hufen auf den Kopf im Staub zuschießt, ihn zertrampeln will.
     
    „Ist der tot?“, fragt sie und hält noch fester seine Hand. Er schüttelt den Kopf und johlt weil der nächste Rodeoreiter in gebügeltem Hemd aus der Box katapultiert wird. Den Jungen im Staub haben sie auf eine Trage geworfen,  ihm seinen weißen Hut auf den Bauch gedrückt und hastig aus der Arena geschleppt. Sie schmiegt sich an die Schulter neben sich, sieht ihn mit schimmernden Augen an, riecht seinen erregten Schweiß. Niemals soll ihm etwas zustoßen, niemals, betet sie.
     
    „Baby, ich muss da runter, ich bin dran!“, sagt er aber, springt auf und geht mit  Cowboyschritten und seiner Gitarre durch die Tür im Zaun.
     
    Kreischen, Jubeln, Klatschen. Sie sieht sich um und weiß nicht, ob das da vorne, der lange Kerl mit der blauen Jeans, den polierten Cowboystiefeln, dem bestickten Hemd und dem schwarzen Hut wirklich er ist. Es ist Nacht geworden, die grellen Lampen strahlen ihn an, er wirft drei Schatten, sieht so noch dünner aus. Sie würde am liebsten zu ihm laufen, ihn wegzerren, von den Menschen und aus der Arena, in der die Männer Stiere und Pferde quälen, um sich selbst, ihren Vätern, Frauen und Freundinnen ihren Mut zu beweisen.
     
    On the campfire I remember the stars in your eyes , singt er, und sie glaubt, er sagt es nur zu ihr.
     
    „Wie hab’ ich dir gefallen, Sweetheart?“ Er strahlt als er aus dem Rampenlicht zurückkommt auf die Bretterbank. Sie weiß, dass er glücklich ist. „Ich habe ihnen das gegeben, wonach sie sich sehnen!“ Sein Gesicht glüht rot, die Augen sind irgendwo in die Ferne gerichtet, nicht in ihre. Dabei hat er doch gerade von den Sternen in ihren Augen gesungen, denkt sie, wischt sich eine Träne vom Nasenrücken. „Sie lieben dich“, sagt sie, ohne Hoffnung, dass er den traurigen Ton in ihrer Stimme bemerken könnte.
     
    Im Motelbett, dem viel zu weichen, später, hat sie dann über ihre Träne gelacht. Als er vor ihr stand, vor ihr allein.
     
     
    Sie schnippt die Asche von ihrer Zigarette, muss einem Känguru-Kadaver ausweichen - im Vorbeifahren sieht es aus wie ein zerfleddertes Plüschtier. Sie braucht jetzt sofort einen Drink. Da vorn ist ein Ort. Sie fährt langsamer. Einen Strafzettel wegen Geschwindigkeitsübertretung fände sie in der Situation lächerlich. Ein Bottle-Shop-Schild. Sie parkt den Wagen davor. Die Frau hinter der Theke mustert sie.
     
    „Sind Sie nicht – sind Sie nicht Margret Livingston? Die Frau von Mel Livingston, dem Countrysänger?“
     
    Margret lächelt, versucht die Bitterkeit zu verstecken.
    „Ja.“ – und fügt hinzu: „Ich war in Roma und fahre jetzt nach Hause.“
    Daran wird sich die Frau erinnern, wenn die Polizei fragen sollte.
    „Dann gute Fahrt!“, wünscht die Frau, die
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