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Das letzte Rodeo

Das letzte Rodeo

Titel: Das letzte Rodeo
Autoren: Manuela Martini
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nach Alkohol riecht. Wie gut Margret ihn kennt, den süßlichen Geruch von Whisky und den sauren von Bier. Wenn du auch trinkst, merkst du ihn nicht, hat Mel gleich am Anfang gesagt – und sie hat festgestellt, dass er Recht hat.
    Margret trägt die Flasche in der braunen Papiertüte wie ein Baby an ihrer Brust hinaus zum Wagen. Fährt weiter, greift blind ins CD-Fach neben sich. Nimmt die erstbeste und schiebt sie ins Autoradio.
    Life – that’s the only show in town!
    Natürlich singt das er. Alle zehn CDs im Auto sind seine zehn Schallplatten, die er gemacht hat.
    I love the land and I love you.
    Die Reihenfolge hat ihr nichts ausgemacht. Aber dass er das you in der Mehrzahl gemeint hat. In der weiblichen Mehrzahl. Sie hält die Tüte mit der Flasche zwischen den Beinen, schraubt den Verschluss auf. Trinkt ohne die Flasche aus der Verpackung zu nehmen, falls ihr jemand entgegenkommt. Das Brennen in der Kehle so bekannt und erlösend. Manche gehen statt dessen beichten.
     
    Life – that’s the only show in town.
    Ja, deshalb hat er auch nichts ausgelassen. Auf der CD-Hülle zwinkert er ihr zu, grinst wie ein Held.
    Baby, I can’t forget you.
    You are the only one – my love –my life – my everything.
    Das hat er gesungen vor all den Männern –und Frauen in den Arenen und bei den Konzerten. Er hat es in die Rillen der Platten geritzt und in silbrige CDs eingebrannt - seine Stimme wie Butter, ihr kamen da schon mal die Tränen.
    „So einen  kann man nicht allein haben“, hat ihr gleich am Anfang ein alter Viehtreiber gesagt, und hat sie dabei mitleidig angelächelt, aus einem zahnlosen Mund.
    Noch hundert Kilometer bis Morven. Sie nimmt noch ein paar Schlucke. Sie muss langsamer machen mit dem Trinken, sonst wird sie die letzten Kilometer nicht durchhalten, weiß sie und schraubt die Flasche zu, wirft sie auf den Beifahrersitz neben die leere CD-Hülle von der er ihr entgegengrinst. Das Brennen wird weniger und der Geschmack immer besser. Schlaglöcher überfliegt sie jetzt.
    Durch die Windschutzscheibe sieht sie seit Stunden dasselbe trockene Land wie ein Plakat. Da schiebt sich vor ihre Augen das Bild des glitzernden Pools. Fett schwimmt, sagt man. Aber auch magere Menschen gehen nicht so leicht unter, hat sie festgestellt. Margret zündet sich eine Zigarette an. Sieht sie vor sich: Um das hübsche faltenlose Gesichtchen das blonde Haar als sachte fackelnder Strahlenkranz im gemächlichen Auf und Ab des chlorierten blauen Wassers.
     
    You left me with my broken heart –
     
    singt er aus den Autoboxen. Und wer kümmerte sich um ihr gebrochenes Herz?
     
    Warum war er nicht ein bisschen dankbarer? Immerhin sieht sie für ihr Alter noch gut aus. Fünfundvierzig und drei Kinder. Was hat sie auch alles dafür getan? Von Pilates bis Yoga, Morgens Obst und Abends oft nichts -.  Neben ihm auf den bunten Fotos  in Womens Weekly gefiel sie sich, und sie ihm auch. Am Anfang hat er es ihr noch gesagt. You are so beautiful . Und gleich einen Song daraus gemacht.
    Natürlich stand sie hinter ihm. Solang er sich daran erinnerte, dass sie hinter ihm stand. Sie war loyal, großherzig, konnte vergeben. Was bekam er früher schon für seine Auftritte in Rodeo-Arenen? Ohne ihren Job als Kassiererin hätten sie sich damals nicht durchgeschlagen. Sie warf es ihm nie vor, später, in den teureren Hotels und den ausverkauften Hallen.
     
    Sie war blond und höchstens siebzehn. Ihre Haut, hell und makellos - bis auf einen großen Leberfleck am noch straffen Oberschenkel. Den hätte sie wegschneiden lassen sollen, bevor er sich zu einem Melanom entwickeln würde, hatte Margret gedacht - als sie sie sah, beide. Zusammen. Nackt. Gestern Abend. Auf der Ledercouch im Wohnzimmer. Sie war nicht die erste und einzige, die blonde Siebzehnjährige. Vorher gab es Sechzehnjährige und Achtzehnjährige. Alle blond und schlank und jung. In manchen Dingen war sein Geschmack sehr banal. Sie zieht an der Zigarette.
     
    Früher heimgekommen aus Roma, war sie gestern Abend. Überraschend. Klassisch. Sie hätte ihn ja anrufen können, denkt sie, dann hätte er noch Zeit gehabt, die Kleine heimzuschicken und  die Couchkissen zu richten. Es war also Absicht. Sie, Margret, wollte ungelegen kommen. Hineinplatzen, ihn überführen, in flagranti, und ihm keine Zeit geben, sich herauszureden.
     
    Wie unschuldig eine Flasche aussieht, wenn sie nicht zerbrochen ist, denkt Margret. Die Flasche auf der Kommode gestern Nacht zog ihre Hand wie ein
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