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Nachtblind

Nachtblind

Titel: Nachtblind
Autoren: John Sandford
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drei Hemden sagte er, sie sollten vor der Haustür warten.
    Der Sheriff, Lucas, Del und die beiden Deputys gingen ins Haus. Ein unangenehmer Geruch empfing sie. »Als ob er hier drin einen Nerz abgehäutet hätte«, sagte der Sheriff. Sie gingen zu dem Heiligenschrein und schauten ihn sich genauer an. Von draußen hatten sie nur die gegenüberliegende Wand und einen Teil der Seitenwände und der Decke erkennen können; jetzt sahen sie, dass alle vier Wände und die Decke dicht an dicht mit Fotos von Alie’es Gesicht bepflastert waren.
    Der Sheriff schüttelte den Kopf. »Mir läuft es eiskalt den Buckel runter«, sagte er. »Selbst wenn der Kerl mir das an einem schönen Sommertag gezeigt hätte und Alie’e wäre noch am Leben gewesen, hätte ich eine Gänsehaut gekriegt.«
    »Das ist wirklich zu viel«, stimmte Lucas zu.
    Grünhemd meldete sich von der Haustür: »Es ist verdammt zu kalt, um draußen rumzulungern«, sagte er. »Wir würden gern zurück zu McLeods fahren – oder dürfen wir mal ’nen schnellen Blick reinwerfen?«
    Der Sheriff sah Lucas an, der die Schultern hob. »Ich habe nichts dagegen … Vielleicht fällt den Jungs ja was auf, was wir nicht sehen.«
    Der Sheriff winkte Olson und die Hemden herein, während Lucas und Del sich daran machten, das Schlafzimmer und die Küche zu inspizieren. In einem Wandschrank im Schlafzimmer fanden sie eine Schachtel Shotgun-Patronen – Kaliber zwölf, speziell zum Tontaubenschießen –, aber keine Shotgun. Im Wandschrank standen jedoch eine 300er Winchester Magnum mit Zielfernrohr und ein halbautomatischer 22er Ruger-Karabiner.
    »Er hat also wahrscheinlich zusätzlich noch eine Shotgun dabei«, sagte Lucas.
    »Ich werde das nachher gleich ans Department weitergeben«, sagte Del.
    In dem kleinen Wohnzimmer hingen Samtvorhänge vor den Fenstern, um das Licht von draußen abzuschirmen. Eine Liegecouch war vor eine der Seitenwände geschoben; an der Wand gegenüber stand ein überdimensionales Sony-Fernsehgerät mit einem anderthalb Meter breiten Bildschirm. Neben dem Fernseher war eine Hifi-Stereoanlage installiert. Auf dem Boden neben der Couch stand eine Nintendo-Konsole mit einem Dutzend Schachteln voller Spiele sowie eine Dreamcast-Konsole mit noch mehr Spielen. Fünf kleine Lautsprecher waren im Raum verteilt, dazu ein Subwoofer von der Größe einer Mülltonne neben dem Fernseher.
    »Neunhundertneunundneunzig Fernsehkanäle voller Scheißdreck zum Auswählen«, sagte Del, und es klang, als ob er Tom Olson zitiere.
    In der Küche war nichts Bemerkenswertes zu entdecken. Der Letzte der Hemden-Jungs hatte sich inzwischen den Heiligenschrein angesehen, und Goldhemd kam in die Küche, öffnete den Eisschrank, nahm ein Bier heraus und öffnete den Verschluss.
    »Was zum Teufel soll das?«, fuhr der Sheriff ihn an.
    »Martin braucht’s ja wohl nicht mehr«, war Goldhemds Reaktion. »Wär’ doch Verschwendung.«
    »Gib mir auch eins«, sagte Friar. Goldhemd entsprach der Bitte, und Friar öffnete die Flasche, sagte: »Wissen Sie, Martin war von dem Gedanken besessen, er würd’ mal reich und berühmt. Wahrscheinlich war das sogar alles , an das er gedacht hat. Er meinte, er könnt’ das erreichen, indem er hier in Burnt River klein anfängt, und wenn er hart arbeitet und seine Nase von Koks sauber hält, würd’ Coca-Cola ihm Aufstiegschancen bieten. Er hat sich den Arsch abgearbeitet, fuhr seit zehn Jahren mit diesem verdammten Lieferwagen durch’s County, aber er ist keine einzige Stufe auf der Erfolgsleiter höher geklettert.«
    Er trank einen Schluck von seinem Bier, fügte hinzu: »Soweit es in dieser Gegend überhaupt eine Erfolgsleiter gibt.«
    »Trauen Sie ihm zu, einen Menschen umzubringen?«, fragte Lucas in die Hemden-Runde.
    »Na ja, jedenfalls will keiner mehr mit ihm auf die Jagd gehen«, antwortete Blauhemd. »Er ist ein bisschen zu sehr in Waffen vernarrt. Eines Tages hat mal ein Typ, den ich kenne, vergeblich auf einem Ansitz auf Hirsche gewartet …«
    »Ja, Ray McDonald«, half Goldhemd ihm auf die Sprünge.
    Blauhemd nickte, fuhr fort: »… und auf dem Heimweg stößt er auf Martin, und der sagt zu ihm: ›Wenn du Zigaretten rauchst, riecht das jeder Hirsch im Umkreis von einer Meile.‹ Ray kümmert sich nicht drum und geht nach Hause, legt sich ins Bett, will schlafen, denkt an nichts, aber plötzlich fällt ihm ein, dass er eine halbe Meile von Martin entfernt war, als er seine Kippe ausdrückte und wegwarf.«
    Blauhemd sah Lucas
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