Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtblind

Nachtblind

Titel: Nachtblind
Autoren: John Sandford
Vom Netzwerk:
an, dann Del und den Sheriff, mit einem Blick, der ausdrücken sollte: Das ist von großer Wichtigkeit. Lucas brauchte einen Moment, den Blick zu deuten, sagte dann: »Martin hat Ray durch sein Zielfernrohr beobachtet.«
    »Genau. Ray sagte, er hätt’ sich im Bett beinahe in die Schlafanzughose geschissen. Martin Scott hatte ihn durch das Zielfernrohr seiner 300er Magnum beim Rauchen beobachtet!«
    »Er hat ihn ja aber nicht erschossen«, relativierte Del.
    »Aber ich wette, er hat daran gedacht«, sagte Blauhemd. »Martin tickt nicht richtig, und das war schon so, als er noch mit mir zusammen in den Kindergarten ging.«
     
     
    Am frühen Morgen, als Lucas und Del und ein nachdenklicher Tom Olson im Hubschrauber auf dem Rückflug zu den Zwillingsstädten waren, erreichte sie rund hundert Meilen südlich von Sheridan ein Anruf des Sheriffs. »Ich habe schlechte Nachrichten«, sagte er.
    »O Gott, ich will keine hören«, seufzte Lucas. »Ich habe keine Zeit dafür …«
    »Wir haben Scott nicht gefunden, aber seinen Truck«, sagte der Sheriff gnadenlos. »Er war neben seinem Lieferwagen in der Garage des Coca-Cola-Lagers abgestellt. Wir haben uns noch mal mit Randy Waters in Verbindung gesetzt, und er sagt, Scott würde den Wagen immer dort abstellen, wenn eine besonders kalte Nacht zu erwarten ist, weil seine Garage am Haus keine Heizung hat.«
    »Aber es ist doch gar nicht so kalt«, protestierte Lucas. »Wie viel Grad kriegen wir schätzungsweise heute Nacht?«
    »Knapp zwei Grad unter Null«, antwortete der Sheriff.
    »Das ist doch gar nichts«, sagte Lucas. »Gar nichts …«
    »Ja, das stimmt. Aber wir können Scott nicht finden – ich glaube nicht, dass er in Burnt River ist. Und wenn er sich in den Städten rumtreibt, nützt Ihnen die Suche nach seinem Truck gar nichts.«
    »Halten Sie weiterhin die Augen offen«, sagte Lucas. »Wenn wir Scott bei uns nicht aufstöbern, erscheint er ja morgen früh vielleicht zur Arbeit.«
     
     
    Lucas gab die Nachricht an Del weiter, der energisch den Kopf schüttelte. »Er muss es trotzdem sein«, sagte er. »Du hast doch dieses Horrorzimmer gesehen …«
    »Aber wie könnte er nach Minneapolis oder St. Paul gekommen sein? Per Anhalter?«
    »Nein, mit irgendeinem Wagen. Wäre natürlich schön, wenn wir wüssten, was das für ein Wagen ist.«
     
     
    Als sie rund die Hälfte der Flugstrecke zurückgelegt hatten, sagte Lucas: »Mir ist noch ein anderer Gedanke gekommen. Diese Asiatin im Matrix-Gebäude hat doch – wenn auch nur für wenige Sekunden – den Mann gesehen, von dem wir denken, dass er Plain ermordet hat. Sie hielt ihn für den Mann, der die Verkaufsautomaten im Gebäude betreibt. Sie bezeichnete ihn als massig, und so beschrieb Jael auch den Mann, der in dieser Nacht in ihr Haus einbrechen wollte … Als die Cops von St. Paul dann diesen Automaten-Typen auftrieben, erwies er sich aber als ausgesprochen dünn und schlank.«
    »Und?«
    »Ich wette, es war dieses Arschloch Martin Scott in seiner Coca-Cola-Uniform. Einer der Hemden-Typen sagte ja, er würde vierundzwanzig Stunden am Tag in dieser Uniform rumlaufen. Dieses Asiaten-Hühnchen hat so ihn für den Verkaufsautomatenbetreiber gehalten – weil der ja bestimmt eine ähnliche Uniform trägt.«
    »Bisschen dünn«, kommentierte Del.
    »Aber doch durchaus möglich«, beharrte Lucas.
     
     
    »Mein Arsch meutert, will ins Bett«, sagte Del kurz vor der Landung. »Bringst du mich nach Hause?«
    »Ja. Aber ich will noch mal bei Jael vorbeifahren, mich vergewissern, dass unsere Leute den Bewachungskreis um ihr Haus erweitert haben.«
    »Da bin ich noch dabei«, sagte Del.
    Sie hatten Lucas’ Porsche am Motel stehen lassen, weil er nur zwei Personen Platz bot, und waren mit Olsons klapprigem Volvo zum Flughafen gefahren. »Ich mache mich morgen auf den Heimweg nach Fargo«, sagte Olson auf der Fahrt zum Motel. »Lassen Sie mich verständigen, wenn die Leichen meiner Eltern endlich freigegeben werden. Ich komme dann zurück und sorge für die Beerdigung. Aber hier will ich nicht noch länger darauf warten. Dieser Ort ist der Vorhof zur Hölle.«
    »So ein Quatsch«, knurrte Del gereizt. »Hier lässt sich’s gut leben.«
    »Denken Sie doch mal an die vergangene Woche«, sagte Olson. »Vor zehn Tagen hatte ich noch eine Familie – jetzt nicht mehr. Aber es sind nicht die einzelnen Menschen, die daran schuld sind – sie sind nur arme Seelen, die versuchen, ihr Leben zu meistern. Der Nährboden für alles
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher