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Nacht unter Woelfen

Nacht unter Woelfen

Titel: Nacht unter Woelfen
Autoren: Ulf Blanck
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Schwere Kunst
    Die Geschäfte in Rocky Beach öffneten gerade die Türen, als Justus Jonas auf seinem Fahrrad um die Ecke bog. Das Rad quietschte und schepperte so laut, dass auch die letzten Bewohner der kleinen Stadt aus ihrem Schlaf gerissen wurden. Justus strampelte schnaufend die Hauptstraße hoch und erreichte mit rotem Kopf den Marktplatz. Am Brunnen stellte er das klapprige Gefährt ab, nahm eine Hand voll Wasser aus dem Becken und kühlte damit sein Gesicht. Es schien ein sehr heißer Tag zu werden. Plötzlich hörte er über den Platz eine bekannte Stimme rufen. »He, Just, was machst du denn hier?« Es war Bob Andrews, der jetzt zu ihm kam. »Willst du den Brunnen leer saufen?«, lachte er und lehnte sein Rad an das von Justus. »Quatsch, ich hab nur fast einen Hitzschlag bekommen. Der Schrotthaufen lässt sich kaum vor-wärts bewegen«, stöhnte Justus und zeigte verächtlich auf sein Fahrrad. Onkel Titus hatte es ihm aus vielen alten Teilen zusammengebaut. Am liebsten hätte Justus das Vehikel an ein Museum verschenkt, aber es war immer noch besser, als zu Fuß zu laufen. »Ich muss für Onkel Titus ein paar Sachen aus einer Druckerei abholen. Er hat sich jetzt endlich vernünftige Geschäftspapiere für unseren Schrott-handel drucken lassen. Und was treibst du hier?« Bob zeigte auf die kleine Wäscherei gegenüber. »Genau dasselbe wie Peter. Wir mussten beide für unsere Eltern einen Haufen Klamotten zum Waschen abgeben. Peter wird da gleich rauskommen.« Kurze Zeit später gesellte sich Peter Shaw zu ihnen und das Trio war komplett. Sie beschlossen, Justus bei seinem Auftrag zu begleiten. Die Druckerei lag versteckt in einer kleinen Seitengasse am Rande der Stadt. Justus zeigte auf ein altes und heruntergekommenes Gebäude. »Onkel Titus sagte, dass der Laden hier irgendwo im Kellergeschoss sein soll. Hauptsache, der Schuppen bricht nicht über uns zusammen.«

    Neben dem Haus entdeckten sie eine steile Stein-treppe und stiegen vorsichtig die Stufen hinab. Über dem Eingang war ein verrostetes Eisenschild angebracht. »Templer Druckereierzeugnisse aller Art«, las Peter vor und öffnete die schwere Stahltür. Ihre Augen gewöhnten sich nur langsam an das spärliche Licht. Es roch nach Farben und der Raum war erfüllt vom rhythmischen Klopfen, Ticken und Hämmern der Druckmaschinen. Bob betrachtete die alten Anlagen und schüttelte den Kopf. »Das sieht hier ja aus wie in einem Museum. Kein Mensch druckt noch mit solch verstaubten Apparaten. Ich war mal mit meinem Vater in einer modernen Offset-Druckerei – dagegen könnte das hier vom alten Gutenberg persönlich stammen.« Plötzlich erhob sich ein von Druckerschwärze verschmiertes Gesicht zwischen den großen Maschinen. »Lacht nicht über Gutenberg! Ohne ihn würden wir heute noch – wie in der Steinzeit – auf Felswänden herumkratzen. Diese Maschinen sind zwar alt, erfüllen aber alle ihren Zweck.« Der kleine Mann wischte seine Hände an der Schürze sauber und kam sichtlich erregt auf sie zu. »Was versteht ihr denn schon vom Druckhandwerk, hä? Damit meine ich nicht eure billigen Comics, nein, ich meine damit die hohe Kunst der Papierbeschichtung. Ahnt ihr überhaupt, wie viel Arbeit es macht, solch ein Druckwerk wie dieses herzustellen?«, schnaubte er und hielt ein buntes Werbeplakat für einen Wanderzirkus in die Luft. Peter betrachtete es und murmelte belanglos: »Macht man das heutzutage nicht besser mit einem Farbkopierer?« Jetzt war Mister Templer nicht mehr zu halten. »Farbkopierer? Eine primitive computergesteuerte Belichtungsmaschine soll das besser machen? Ihr habt ja keine Ahnung. Billigware ist das. Kein Glanz, keine Tiefenschärfe, keine Leuchtkraft. Das alles erreicht man nur im komplizierten Siebdruck-verfahren. Traditionelles Handwerk und Können sind da gefragt! Aber nun Schluss mit dem Vortrag. Was wollt ihr überhaupt?« Justus hatte die ganze Zeit interessiert zugehört und fast den Auftrag seines Onkels vergessen. »Wir sollen für Titus Jonas eine Bestellung abholen. Sein Pick-up ist kaputt.« Die Stimmung von Templer verbesserte sich schlagartig. »Titus Jonas? Ja, der weiß wenigstens, was Qualität bedeutet. Hier, ich hab schon alles zusammengestellt.« Er deutete auf einige Kartons und Bob musterte den hohen Stapel. »Welcher davon ist es denn?«, fragte er und nahm die Hände aus den Taschen. »Na, alle sind es«, grinste der Drucker vergnügt und verschwand hinter seinem Tresen. Justus gab ihm die zweihundert
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