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Nacht über den Wassern

Titel: Nacht über den Wassern
Autoren: Ken Follett
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der Pistole an ihrer Schläfe ein wenig nachließ, und erkannte, daß Luther momentan abgelenkt war.
    Sie duckte sich und entwand sich ihm.
    Ein Schuß dröhnte, aber sie fühlte nichts.
    Alle bewegten sich gleichzeitig.
    Eddie, der Ingenieur, flog an ihr vorbei und stürzte sich wie ein Baum auf Luther.
    Margaret sah, daß Harry nach Luthers Hand griff und ihm die Waffe entriß.
    Sie begriff benommen, daß sie noch am Leben war.
    Plötzlich fühlte sie sich so schwach wie ein Baby und ließ sich hilflos auf den nächsten Sitz fallen.
    Percy kam zu ihr herübergelaufen. Sie umarmte ihn und hörte sich sagen: »Alles in Ordnung?«
    »Ich denke schon«, gab er zittrig zurück.
    »Wie mutig du bist!«
    »Du auch!«
    Ja, das war ich, dachte sie, ich war mutig.
    Die Passagiere schrien alle durcheinander, und Captain Baker rief mit dröhnender Stimme: »Ruhe bitte!«
    Margaret sah sich um.
    Luther lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden. Eddie und Harry waren über ihm und hielten ihn fest. Die Gefahr aus dem Innern der Maschine war gebannt. Margaret blickte hinaus und sah ein U-Boot, das wie ein riesiger grauer Hai auf dem Wasser trieb. Die nassen Stahlflanken glänzten im Sonnenschein.
    Wieder meldete sich der Captain zu Wort: »In der Nähe befindet sich ein Patrouillenboot der Marine. Wir werden uns sofort über Funk mit ihm in Verbindung setzen und das Auftauchen des U- Bootes melden.« Die Besatzung hatte Abteil eins inzwischen verlassen, und der Captain wandte sich an den Funker: »Machen Sie sich an die Arbeit, Ben!«
    »Jawohl, Sir. Sie sind sich natürlich darüber im klaren, daß der Kommandant des U-Bootes möglicherweise unsere Botschaft hören und sich aus dem Staub machen kann.«
    »Um so besser!« fauchte der Captain. »Unsere Passagiere haben genug ausgestanden.«
    Der Funker ging die Treppe zum Flugdeck hinauf.
    Alle starrten sie das U-Boot an. Die Luke blieb geschlossen. Der Kommandant wartete offenbar ab.
    Captain Baker fuhr fort: »Einen der Gangster haben wir noch nicht geschnappt: den Bootsführer. Ich möchte ihn in Gewahrsam nehmen. Eddie, gehen Sie zur Bugtür, und locken Sie den Kerl an Bord – sagen Sie, Vincini will ihn sprechen.«
    Eddie ließ von Luther ab und ging aus dem Abteil.
    Der Captain wandte sich an den Navigator: »Jack, sammeln Sie diese verdammten Waffen ein und entladen Sie sie.«
    Er merkte, daß er geflucht hatte, und fügte hinzu: »Entschuldigen Sie den Ausdruck, meine Damen.«
    Nach so vielen schlimmen Kraftausdrücken seitens der Gangster mußte Margaret darüber lachen, daß sich der Captain für ein »verdammt« entschuldigte. Die Passagiere um sie herum lachten ebenfalls, was Captain Baker im ersten Moment verwirrte. Doch dann erkannte auch er die Komik der Situation und lächelte.
    Das Gelächter wirkte befreiend. Die Gefahr war vorüber. Nach und nach fiel die Anspannung von den Passagieren ab. Margaret fühlte sich noch immer unwohl und bemerkte, daß sie am ganzen Körper zitterte.
    Der Captain stieß Luther mit der Schuhspitze an und wandte sich an eines der Besatzungsmitglieder. »Johnny, verfrachten Sie den Kerl ins erste Abteil und lassen Sie ihn nicht aus den Augen.«
    Harry gab Luther frei, und ein Mann von der Crew führte ihn ab.
    Harry und Margaret sahen sich an.
    Sie hatte sich eingebildet, er hätte sie verlassen. Sie hatte gedacht, sie würde ihn nie wiedersehen. Sie hatte fest damit gerechnet, sterben zu müssen. Die plötzliche Erkenntnis, daß sie beide am Leben waren, daß sie zusammen waren, war so wundervoll, daß sie es kaum ertragen konnte. Harry setzte sich neben sie, und Margaret ließ sich in seine Arme sinken. Wortlos umarmten sie sich.
    Nach einer Weile murmelte Harry ihr ins Ohr: »Schau mal nach draußen.«
    Das U-Boot versank langsam in den Fluten.
    Margaret lächelte Harry an und küßte ihn.
    Carol-Ann konnte sich, als alles vorüber war, nicht dazu durchringen, Eddie zu berühren.
    Sie saß im Speiseraum und trank heißen Kaffee mit viel Milch, den Steward Davy für sie gekocht hatte. Sie war blaß und zitterte, beteuerte aber immer wieder, ihr ginge es ausgezeichnet. Doch bei jeder Berührung Eddies zuckte sie zusammen.
    Er saß dicht neben ihr und sah sie an, aber sie wich seinem Blick aus. Leise sprachen sie über alles, was sich ereignet hatte, und wie unter Zwang berichtete Carol-Ann immer wieder aufs neue, wie die Männer ins Haus eingedrungen waren und sie ins Auto gezerrt hatten. »Ich war gerade dabei, Pflaumen
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