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Nacht der Zaubertiere

Nacht der Zaubertiere

Titel: Nacht der Zaubertiere
Autoren: Dean R. Koontz
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Prüfungen warten und großes Leid. Vielleicht sogar ein Kind, das von seinen Eltern mißhandelt wird —« »Vielleicht auch eines, das schwer krank wird und großen Mut braucht, um nicht zu verzweifeln«, sagte Amos ernst, »oder ein Kind, dessen Vater oder Mutter stirbt. Oder das einen Bruder oder eine Schwester verliert.«
    »Ja. Aber was das Kind auch zu ertragen hat, du wirst ihm beistehen und wirst ihm Trost, Rat und Liebe geben. Du mußt dem Kind helfen, Liebe und Zuversicht zu entwickeln, gleichgültig, welche Grausamkeiten ihm die Welt antut. Denn was dieses Kind später auch werden mag, wenn es unter dem Leid zerbricht, wird es ihm niemals gelingen, etwas mehr Glück in die Welt zu tragen.«
    Amos, der mit ausgestreckten Plüschbeinen im bunten Licht der Lampe dasaß, lehnte sich zurück, stützte sich mit den Vorderpfoten ab und seufzte tief. »Das ist eine schwere Verantwortung.«
    »ja«, stimmte ihm Vater Isaak zu, »und du darfst niemals vergessen, daß ihr im geheimen wirken müßt. Nur in der Verborgenheit der Kinderzimmer dürft ihr lebendig sein, aber für den Rest der Welt müßt ihr Spielzeugtiere bleiben.«
    »Das kann ich gut«, antwortete Amos befriedigt. Er wurde am ganzen Leib steif, und seine Augen funkelten plötzlich so blank wie bemalte Knöpfe.
    »Sehr gut«, sagte der alte Isaak, »ausgezeichnet.«
    Amos grinste.
    »Wenn du ein anderes Kind oder einen Erwachsenen deinen Zauber merken läßt, kannst du dem dir anvertrauten Kind nicht mehr so gut helfen.«
    »Ja«, sagte Amos, »das verstehe ich.«
    Ainos hatte auch begriffen, daß das Zauberleben in ihm verlöschen würde, wenn das Kind keinen geheimen Freund mehr brauchte. Er wäre dann nur noch ein Teddybär, so wie jeder andere. Im Laufe der Zeit würde das Kind sogar vergessen, daß Amos einmal lebendig gewesen war. Ihre heimlichen Gespräche und Abenteuer kämen ihm dann wie ein Traum vor, wie Kinderspiele aus längst vergangenen Tagen, in denen es noch nicht an der geheimnisvollen Welt der Erwachsenen teilhatte.
    Mit dem Verlust seines Lebendigseins konnte sich Amos nicht so leicht abfinden. Er begriff jedoch, daß nur Kinder für echten Zauber empfänglich sind, die meisten Erwachsenen würde es nur verwirren und entsetzen. Es gab also viele Menschen, denen ein Zaubertier in ihrer Jugend geholfen hatte, aber es gab keinen, der sich später noch daran hätte erinnern können.
    Amos stand auf und tappte um die Lampe mit dem bunten Glasschirm herum, wobei er vorsichtig über die Schnur stieg. Dann betrachtete er die eichene Tischplatte mit gerunzelter Stirn.
    »Über etwas habe ich mir immer den Kopf zerbrochen«, sagte er mit einer rauhen Stimme, die für seinen kleinen Körper eigentlich viel zu tief klang, aber merkwürdigerweise doch gut zu ihm paßte. »Was geschieht mit mir, wenn mich das Leben verläßt, Vater Isaak? Habe ich eine Seele? Was geschieht mit ihr und mit mir? Ist das eins von den Geheimnissen, über die du heute mit mir sprechen willst?«
    Der alte Isaak schüttelte den Kopf. Seine feinen weißen Haare schimmerten wie Schnee im Mondlicht. »Nein, darauf kann ich dir nicht antworten, lieber Amos. Was nach dem Leben kommt, muß dir verborgen bleiben, dir und allen anderen Sterblichen, mir auch.«
    Da hatte Amos gewußt, daß Vater Isaak sterben mußte. Der alte Spielzeugmacher hatte seine Krankheit nie vor seinen Geschöpfen verborgen. Er hatte sie ganz im Gegenteil dazu aufgefordert, sich an den Gedanken seines Todes zu gewöhnen. Innerhalb weniger Wochen mußte ein neuer zauber- kräftiger Spielzeugmacher gewählt werden. Und wenn Isaak Liebmann starb, mußten die Zaubertiere, die noch in der Werkstatt waren, dem Nachfolger helfen, sich in seine ungewöhnliche Arbeit hineinzufinden.
    Als Vater Isaak seinen Zaubertieren vor ein paar Tagen gesagt hatte, daß er, ihr Schöpfer, bald diese Welt mit einer anderen vertauschen würde, hatten sie so getan, als ob sie stark genug wären, als ob sie seinen nahenden Tod mit Trauer und Bedauern, aber doch mit Gefaßtheit ertragen würden.
    In Wirklichkeit waren sie krank vor Kummer und hatten schreckliche Angst.
    »Der Tod«, hatte Vater Isaak zu ihnen gesagt, »ist nicht das Ende. Es ist der Beginn von etwas Neuem. Habt also keine Angst um mich.«
    »Aber wir werden dich vermissen«, hatte ihm Karamel, das Hundemädchen, geantwortet, das seinen Jammer nicht verbergen konnte.
    »Du wirst mir auch fehlen«, antwortete er, »und ich werde dich nie vergessen. In der Erinnerung
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