Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht der Zaubertiere

Nacht der Zaubertiere

Titel: Nacht der Zaubertiere
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
den Himmel. Blitze zischten an den Fenstern vorbei. Ein paar dicke Regentropfen klatschten gegen das Glas, aber nur ein paar, nicht mehr, als ob der Himmel sein Wasser noch für einen gewaltigen Wolkenbruch zurückhielte.
    »Da hinaus?« fragte Einstein vom Fußboden herauf. Er hob seinen plumpen, fest und solide genähten Rüssel, als ob er die Idee beschnuppern müßte. Man sah seinem Gesicht an, daß er nicht wußte, was er von ihrem Geruch zu halten hatte. »Aus der Werkstatt heraus? Zehn oder zwanzig Meilen marschieren, die ganze Strecke quer durch die Stadt zum Laden von Martha Miller?«
    Hupf, das Karnickel, hoppelte so flink vor Einstein, daß seine Läufe wie Trommelstöcke auf die Eichendielen klopften, und legte den Kopf schief, so daß sein eines Ohr noch tiefer baumelte. Dann sagte es: »Warum denn nicht, du großer Kerl? Ich hab’ doch tausendmal gehört, wie du dir gewünscht hast, du wärst ein echter Elefant und könntest mit einer Herde durch die riesigen Ebenen von Afrika ziehen. Dies wäre doch nur ein kleiner Spaziergang in die Stadt, mehr nicht. Also, wenn dir was in die Quere kommt, dann brauchst du es doch nur mit deinen gewaltigen Elefantenfüßen zu zertrampeln... «
    Einstein schaute zu seinen kleinen, kurzen samtüberzogenen Füßen hinunter und seufzte.
    » . .. oder mit deinem kräftigen Rüssel beiseite zu schubsen«, fuhr Hupf mit Feuereifer fort, wobei er rückwärtstaumelte, als ob er gestoßen worden wäre.
    Einstein runzelte die Stirn und schielte, um seinen weichen grauen Rüssel zu mustern.
    Amos freute sich, daß Hupf auf seiner Seite stand. Er hoffte jedoch, daß ihn auch noch andere Zaubertiere unterstützen würden, die etwas verantwortungsbewußter und nicht so albern waren wie das Karnickel, zum Beispiel Karamel. Und vielleicht auch der Kater und der Alte.
    »Oder nimm mal an«, sagte Hupf zu Einstein, »nimm mal an, du rennst irgendeinem gemeinen Kerl in die Arme, dann kannst du ihn doch einfach mit diesen riesigen scharfen Zähnen aufspießen.«
    Einsteins Stoßzähne waren ungefähr so lang wie der Daumen eines erwachsenen Mannes, bestanden aus einer weichen Baumwollhülle, prall gefüllt mit nicht entflammbaren Kunststoffasern, die aber so weich wie Butter waren. Einstein wiegte sich aber wirklich in dem Traum, ein echter Dickhäuter aus der afrikanischen Steppe zu sein, und deshalb ließ er sich bereitwillig davon überzeugen, daß er Angst und Schrecken verbreiten konnte. Daß ihn das Karnickel verspottete, schien er gar nicht zu merken.
    »Ja, gut, ein kurzer Gang durch die Stadt wäre zu erwägen«, sagte er deshalb. »Ich kann schon auf mich aufpassen. Die Gefahren da draußen können im Vergleich zu Afrika nur harmlos sein.«
    »Gut gebrüllt, Löwe!« sagte Hupf und schlug ihm auf den Rücken.
    Draußen grollte wieder der Donner. Die Regenwolken hielten sich immer noch zurück.
    Karamel tappelte zum Karnickel hinüber und sagte: »Darum geht’s auch gar nicht, ob wir den Weg schaffen oder nicht. Es geht darum, daß wir es nicht riskieren können, von den Menschen dabei gesehen zu werden. Nur der Spielzeugmacher und die Kinder, die uns eines Tages bekommen werden, dürfen wissen, daß wir lebendig sind.«
    Amos blickte vom Schemel zu ihnen hinunter. »O ja, es ist eine schreckliche Vorstellung, draußen durch die Straßen zu gehen, und es ist sicher auch gefährlich. Aber es ist nun einmal die Aufgabe, die wir von Vater Isaak bekommen haben.«
    »Woher weißt du denn, was er von uns will?« fragte der Frosch vom Sofa her, und seine tiefe Quakstimme hallte in der ganzen Werkstatt wider.
    Amos runzelte die Stirn. »Also... Wieso ich das genau weiß, kann ich gar nicht sagen. Aber ich weiß es trotzdem. Denn mit jeder Stunde, die ohne einen neuen Spielzeugzauberer hier in der Werkstatt verstreicht... erhöht sich die Gefahr, daß ein böser Spielzeugmacher auftaucht.«
    »Ein böser Spielzeugmacher?« fragte Einstein.
    Da trat der Alte aus einer dunklen Ecke der Werkstatt hervor und sagte: »Amos hat recht.«
    Der Alte glich keinem der Tiere, die hier versammelt waren, und auch keinem anderen Geschöpf, das Amos kannte. Er war eine stattliche Erscheinung, seine Kleidung schien aus dem vorigen Jahrhundert zu stammen: ein dunkler Anzug mit breiter Krawatte, Ärmelhalter und merkwürdige Handschuhe ohne Finger. Seine hohe Stirn war von langen weißen Haaren eingerahmt, und auf seiner langen Nase saß eine Lesebrille mit halben Gläsern, die den gelehrten und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher