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Nacht der Geister

Nacht der Geister

Titel: Nacht der Geister
Autoren: Kelley Armstrong
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die Luft ein. Die Dämmerung stand bevor. Es war Zeit, an die Arbeit zu gehen.
    Sie trug die Suppe hinauf zum Vater der Marquise und genoss die Hitze, die durch die Schale drang und ihre Finger wärmte.
    Es war so kalt hier; die Steinmauern ließen an jeder Ecke die Zugluft durch. Sie hatte die Bediensteten angewiesen, das Feuer zu schüren, aber diese murmelten nur etwas unbestimmt Gehorsames und verschwanden dann, ohne etwas zu tun. Es war eine Unverschämtheit. Wenn sie der Herr im Haus wäre . . .
    aber dies war ja nur eine vorübergehende Inbesitznahme, mit der sie die Formel testete.
    Als sie das Zimmer betrat, blickte sie zu dem alten Mann hinüber, der mit dem Rücken zu ihr im Sessel saß. Dann sah sie hinunter auf die Schale mit vergifteter Suppe in ihren Händen.
    Dieses Mal war es wichtig, dass die Dosis richtig bemessen war.
    Marie Madeline hatte das Gift zuvor an ihrer Zofe Françoise ausprobiert, aber das Mädchen war nicht gestorben, und so hatte MarieMadelines Liebhaber Gaudin SainteCroix die Dosis erhöht. Aber statt sie an einem neuen Versuchsobjekt zu testen, hatten die beiden entschieden, dass die Giftmenge jetzt ausreichen müsste.
    Faule, unvollkommene Menschen und ihre faulen, unvollkommenen Halbheiten. Wie die Diener, die keine Lust hatten, die Schlossmauern zu verlassen und draußen Feuerholz zu hacken. Was sie ihnen für Lehren erteilen könnte. Vielleicht würde sie es ja tun. Als sie das Zimmer durchquerte, den Blick auf die Suppenschale gerichtet, wurde ihr mit einem kleinen Stich der Überraschung klar, dass der nächste Schritt ihre Entscheidung war. Sie konnte das Gift MarieMadelines Vater geben oder es stattdessen den faulen Dienern vorsetzen, die ihre Befehle ignoriert hatten. Zur Abwechslung einmal war sie es, die handelte; sie war nicht mehr bloß Zuschauerin.
    Drei Jahrhunderte lang hatte sie dabeisitzen und hoffen müssen, dass die Menschen die Entschlossenheit nutzen würden, die sie ihnen schenkte. Kummer und Leid und Chaos waren ihr Lohn. Und wenn die Menschen versagten, blieb sie hungrig
    hilflos wie ein Straßenbalg, der um eine Brotrinde bettelte. Bälger, das war auch der Name, den die Menschen den Kindern der Nixen gegeben hatten Wechselbälger. Als wüssten sie von der Macht, die sie über die QuasiDämonen hatten, und lachten über sie. Doch jetzt war sie hier, und in den Händen hielt sie die Macht, den Tod zu bringen, wo und bei wem sie es für richtig hielt. Sie lächelte. Vielleicht würde sie etwas länger bleiben, als MarieMadeline geplant hatte.
    Als er ihre Schritte hörte, drehte MarieMadelines Vater sich um. »Du hättest das nicht selbst bringen müssen.« Sie knickste.

    »Es ist die Pflicht und das Vorrecht einer Tochter, ihrem Vater zu dienen.« Er strahlte. »Und es ist die Freude eines Vaters, eine so pflichtgetreue Tochter zu haben. Jetzt siehst du, dass ich recht hatte bei Gaudin SainteCroix. Du gehörst zu deinem Gatten und deinem Vater.«
    Sie neigte den Kopf. »Es war nichts als eine vorübergehende Vernarrtheit, die mich umso mehr beschämt, als sie Schande über meine Familie gebracht hat.«
    »Wir wollen nicht mehr davon sprechen«, sagte er, während er ihr den Arm tätschelte. »Lass uns diesen Feiertag gemeinsam genießen.«
    »Aber zuerst sollten Sie Ihre Suppe essen, Vater. Bevor sie kalt wird.«
    Im Verlauf der nächsten vier Tage starb Aubrey einen langsamen und qualvollen Tod. Die Nixe blieb an seiner Seite und tat nach besten Kräften alles für ihn, was sie konnte. Sie wusste, dass ihn das nicht retten würde, aber es gab ihr eine Entschuldigung, zu bleiben und sein Leiden in sich aufzunehmen. Endlich lag er in ihren Armen, eine Haaresbreite vom Tod entfernt, und dankte ihr mit seinen letzten Worten für alles, was sie für ihn getan hatte. »Es war mir eine Freude«, sagte sie und lächelte, als sie ihm die Augen schloss.
    Es dauerte sechs Jahre, bis die Nixe MarieMadelines überdrüssig geworden war und die Möglichkeiten erschöpft hatte, die das alberne kleine Leben ihr bot. Es wurde Zeit, sich etwas Neues zu suchen, neue Aussichten zu eröffnen . . . aber nicht, bevor sie nicht den letzten Rest von Amüsement aus diesem Leben gewrungen hatte. Zunächst tötete sie SainteCroix. Es war nicht persönlich gemeint. Er war ein guter Liebhaber und nützlicher Partner gewesen, aber sie brauchte ihn nicht mehr, außer zu dem Zweck, ihn seine Rolle im letzten Akt des Schauspiels spielen zu lassen. Er starb in seinem Laboratorium, wo er
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