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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
Autoren: Sebastian Glubrecht
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Johannes versäumt es nicht, alle Touristen für diesen Abend ins Molotow einzuladen, wo er eine «Mordsgaudi» verspricht. Eine Stunde später hat Jam I bereits Fans aus der ganzen Welt und hundert Euro mit Fotoaufnahmen verdient.
    Als nächste Stationen folgen Potsdamer Platz, Sony Center und Mahnmal. Danach ermüdet die Reisegruppe allmählich. «Und, ist es schön, wieder zu Hause zu sein?», gähnt Roni.
    «Ich weiß gar nicht, ob das hier noch mein Zuhause ist», antworte ich.
    Gegen Abend holen wir die Instrumente aus dem Hotel und fahren nach Kreuzberg. Gegenüber vom Molotow essen wir noch einen Döner. Auf die Frage «Salat komplett?» antwortet Knoll: «Naa, bloß a Fleisch.»
    Johannes stellt fest, dass man mit dem Döner-Grill-System auch große Mengen Leberkäse bestens abbräunen könnte, und bittet den türkischen Wirt um seine Handynummer.
     
    Das Molotow besteht aus einem Raum, so groß wie eine Turnhalle, die Wände sind mit Konzertplakaten tapeziert, darüber haben Besucher Parolen und Symbole geschmiert. «Jamilextama!», entfährt es Knoll. Die Bayern haben ihre Dumblinger Festtracht angelegt. Roni zieht sich auf der Damentoilette um. Als sie herauskommt, erkenne ich sie kaum wieder: gefährlich geschminkte Katzenaugen und am Körper ein ziemlich knappes rot-schwarzes Dirndl mit Teilstücken aus Lackleder. Ihre langen Beine stecken in grobmaschigen schwarzen Netzstrümpfen. Ein bayerisches Tankgirl! Roni ist mit Abstand die heißeste Frau des Abends.
    Auf alten Sesseln und Sofas fläzen sich kleine Punks in gestreiften Röhrenjeans, mit Lederjacken und Ringen im Gesicht. Bumms mustert sie misstrauisch. «Des is koa Skatfest ned», murmelt er vor sich hin.
    Da Punks meist alle gleich aussehen, fallen die Bayern im Molotow umso mehr auf. Sie ernten einen dummen Kommentar nach dem anderen. Ein junger Typ mit grünem Iro starrt die Trachtenträger an. «Geile Hose», kommentiert er, als Knoll an ihm vorbeigeht. Der deutet auf den Hahnenkamm seines Gegenübers und lacht: «Scheene Mützn.»
    Wir treffen Beppi. Er begrüßt jeden von uns mit Armdrückerhandschlag. Bumms zieht ihn am Ohr zur Seite und hält ihm eine Standpauke, während der ich ihn häufiger «Von wegen Skat, i bin do ned bled» sagen höre. Beppi stammelt bloß: «Aber Papa …»
    Mit einem roten linken Ohr kommt er zurück und erklärt mir den Ablauf des Abends: «Die erste Band heißt Einszwodreivier und kommt aus Hamburg, danach spielen Oioioi, eine Ska-Band aus Polen, dann kommt ihr. Zum Schluss spielen …», er senkt verschwörerisch die Stimme, «… die Skatalites aus Jamaika.»
    «Nie gehört», sage ich.
    Knoll drängt sich vor. «Die san no oider ois mia», erklärt er. «I hob de in de Achtzger in New Orleans troffn. A guade Sängerin hams.»
    Beppi kann es nicht glauben. «Du kennst die Skatalites?»
    «Naa, kenna is zvui gsagt. I hob in New Orleans a Blasmusi gsucht, und da hod mia aana des Lokal empfohln. Do hamma a bisserl dschämmt. So wias hoid is.»
    Im Backstage-Raum lassen Roni und ich uns in die Sessel fallen. Sie ist ganz schön aufgeregt. Beruhigend nehme ich sie in den Arm. Ihr Fetischdirndl knatscht. «Soll ich dir ein Helles holen?», frage ich. Sie nickt.
    «Bringst hoid an Kasten mit», empfiehlt Johannes.
    «Mia aa an Kasten!», ruft Bumms.
    Auf der Bühne machen Einszwodreivier ihrem Namen alle Ehre. In einer Pogo-Orgie springen die Leute wild durcheinander. An der Theke treffe ich Huberfranzl, der Schnaps trinkt. «So a Lärmschtadl!», stellt er fest und zeigt auf die Bühne. «I frag mi aa, wieso die Oanszwoadreieviere hoaßn und bloß drei Akkorde spuin kenna.»
    Als ich eine halbe Stunde später mit zwei Kästen Bier zurück in den Backstage-Raum komme, ist es dort so voll, dass ich zuerst denke, ich hätte mich in der Tür geirrt. Die anderen Bands sind eingetroffen. Roni unterhält sich mit einem weißhaarigen Rastaman, und Knoll ist ins Gespräch mit einer etwa siebzigjährigen Jamaikanerin vertieft.
    «Naa», höre ich ihn sagen. «Ei did not ran away. Wi had a Moadsgaudi in New Orleans, batt ei wos in laaf wis hea masa!» Er deutet auf Roni. «Shi is aua singer!»
    Die alte Sängerin der Skatalites nimmt Roni in den Arm und drückt ihr einen Kuss auf die Wange. «Beautiful gal», sagt sie mit jamaikanischem Akzent. «You godda good Daddy.»
    Ich lasse Skatalites und Knolls allein mit ihren Familienangelegenheiten und mache mich auf die Suche nach Regina. Inzwischen geben Oioioi auf der Bühne
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