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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
Autoren: Sebastian Glubrecht
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Knoll unterschätzt. Eigentlich, so Knoll, komme es im Leben eh nur auf eines an: «Hauptsach, die Leit san guade Leit.»

JAMILEXTAMA!
    Z ehn Stunden lang zuckeln wir mit Johannes’ Kleintransporter von München nach Berlin. Ich fahre. Ein Autoradio brauchen wir nicht, denn die Band probt die ganze Fahrt über hinten im Wagen ihre neuen Lieder. Roni hat ihre Doktorarbeit vorerst auf Eis gelegt und gemeinsam mit dem General einen Songtext nach dem anderen geschrieben. Nun umfasst das Repertoire von Jam I zehn Stücke. Einen Text hat Knoll gedichtet: ein bayerisches Cover des Ska-Klassikers «Shame and Scandal». Es heißt «Schimpf und Schandn» und ist ein Abgesang auf die Band Mia.
    Als wir auf den Berliner Ring fahren, fühle ich zum ersten Mal kein Heimkehrer-Kribbeln im Bauch. Stadt und Verkehr pulsieren zwar wie immer, aber diesmal pulsieren sie an mir vorbei. Wir sind uns fremd geworden. Oder besser: Ich bin ihr fremd geworden.
    Meine Passagiere staunen aus dem Fenster. Knoll hat einen Fehler entdeckt: «Des is ja deppert; die Ampelmännchen do san dicker ois bei uns dahoam.»
    Auf mein Bitten hin hat Beppi uns ein Hotel im Friedrichshain besorgt. Viele der einst so romantisch verwitterten Mietshausfassaden sind in meiner Abwesenheit gelb, rosa oder mintgrün gestrichen worden. Mein altes Haus hat man sogar blassrosa angemalt. Roni, Regina und die Männer möchten zuerst einmal Berlinerisch essen gehen.
    Also reserviere ich einen Tisch in der angeblich ältesten Berliner Gastwirtschaft: Zur letzten Instanz . An den Wänden hängen Bilder aus dem alten Berlin. Ein Bayer nach dem anderen betritt hinter mir die Wirtschaft und grüßt die junge Bedienung mit einem nonchalanten «Habe die Ehre». Die entgegnet fünfmal: «Ick ooch.»
    Wir bestellen acht Portionen Eisbein mit Erbspüree und Sauerkraut. Ich hatte zwar von dieser Spezialität gehört, sie aber nie probiert. Im Prinzip ist Eisbein eine gekochte Haxe. Die Portionen hier sind noch größer als die in Bayern, was aber eine optische Täuschung sein kann, denn durch das Kochen wird die Schweinshaut glibberig aufgeschwemmt.
    Johannes schüttelt traurig den Kopf: «Die scheene Kruste.» Ich kann ihn verstehen. Wahrscheinlich liegt es an meiner Watzendudel-Zeit, dass ich beim Anblick dieser schlappen Hülle heulen könnte.
    Das gekochte Fleisch schmeckt allerdings wunderbar zart. Selbst die schmale Roni isst begeistert ihren Teller leer. Johannes verzehrt doch noch einen großen Teil der glibberigen Antikruste, die ihm plötzlich «wie a Gelee» mundet.
    Auf dem Rückweg überprüft unsere Reisegruppe in einem türkischen Spätkauf das Bierangebot. Zu meinem Erstaunen gibt es hier mittlerweile sowohl Augustiner Helles und Edelstoff als auch Tegernseer Helles und Tegernsee Spezial.
    «Woaßt, Waschtl», meint Knoll, nachdem er sich in der Hotellobby das erste Bier aufgemacht hat, «du host recht ghabt. So schlecht is Berlin gar ned.»
     
    Am nächsten Morgen brechen wir früh zu der obligatorischen Touristentour auf. Der Auftritt von Jam I soll erst um zehn Uhr abends stattfinden. Den Reichstag wollen meine bayerischen Gäste nicht sehen, denn «den hod ja selbst da Stoiba ned seing megn». Aber das Brandenburger Tor interessiert die Bayern; eigentlich viel mehr das Drumherum: Auf der östlichen Seite posiert ein Mann in der Uniform eines sowjetischen Soldaten mit einer russischen Fahne. Für ein paar Euro können sich die Touristen mit ihm fotografieren lassen. Er nimmt sie in den Arm und salutiert zackig.
    «Des is aba a scheene Uniform!», findet der General. Ein paar hundert Meter weiter entdeckt er einen Schwarzhändler, der russische Armeedevotionalien verkauft. Regina, Roni und ich begleiten ihn. Während Huberfranzl eine Uniform und Regina ein paar Bernsteinarmbänder anprobiert, schlendere ich Hand in Hand mit Roni zurück zum Brandenburger Tor. Dort hat sich neben dem sowjetischen Pseudosoldaten eine kleine Menschenmenge versammelt. Neugierig stellen wir uns dazu.
    «Weibaleid und Mannaleid», höre ich Johannes’ Stimme. «Ihr kimmts her nach Berlin und lassts eich fia zwoa Eiro mit am russischn Hansl ablichten. Da kennts ihr eich fia den hoiben Preis mit vier boarischen Mannsbuidern fotografiern lassen! Und i frag eich: Wer is eich fremder?»
    Die Touristen strömen nur so. Nicht nur Amerikaner und Japaner, vor allem auch junge Prenzl’berger finden es witzig, sich Arm in Arm mit den Trachtlern vor dem Brandenburger Tor ablichten zu lassen.
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