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Das dritte Ohr

Das dritte Ohr

Titel: Das dritte Ohr
Autoren: Curt Siodmak
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    Ich, David Bolt, Neurobiochemiker, entdeckte eine Methode, um auf biochemischem Weg bei Menschen übersinnliche Wahrnehmungen hervorzurufen. Ich stieß bei meinen Forschungen über verschiedene Schlafmuster auf dieses Phänomen. Gleichzeitig wurde mir auch bewußt, daß ich meinen Kollegen gegenüber krankhaft mißtrauisch und argwöhnisch war. Obwohl ich das Ziel meiner Forschungen geheimhielt, hatte ich dauernd den Verdacht, bespitzelt zu werden; einige meiner Aufzeichnungen verschwanden und tauchten unter mysteriösen Umständen wieder auf, und mein Telefon wurde angezapft. Ich hatte keinen schlüssigen Beweis dafür, aber meine Bedrückung und Unsicherheit wuchsen dermaßen, daß ich nicht mehr erfolgreich zu arbeiten vermochte.
    Ich beschloß deshalb, die Universität zu verlassen, meine Umgebung zu wechseln und mich um ein Studienjahr an der Klinik für Geistesgestörte in Ottendorf, Deutschland, zu bewerben. Schon eine Zeitlang stand ich mit einem der Ärzte dort in Verbindung, einem Dr. Heinemann, der darauf erpicht war, ein Jahr an der Universität in Kalifornien zu verbringen. Die Klinik in Ottendorf verfugte über die modernsten Einrichtungen, und ich hatte das Gefühl, von dem Stab hochqualifizierter Techniker, über die ich sorgfältige Nachforschungen angestellt hatte, nichts befürchten zu müssen. Sie würden mir assistieren, ohne in meinen Experimenten herumzuschnüffeln, die vermutlich sowieso ihren wissenschaftlichen Horizont überstiegen.
    Ich besorgte Heinemann eine Stellung an der Universität, ließ mich beurlauben und nahm eine 747 nach Europa.
    Jede Meile, die das Flugzeug zwischen mich und mein Labor in Kalifornien legte, verringerte meine Besorgnis, die geradezu paranoide Ausmaße angenommen hatte. Aber trotz meines Entschlusses, die Umgebung zu wechseln und jene rätselhaften Spitzel hinter mir zu lassen, nahm ich, wo immer ich auch hinging, meinen Verstand mit, meinen von Mißtrauen und Verdacht verkalkten Verstand.
    Sogar jetzt, am Ende eines 7000-Meilen-Fluges, beobachtete ich die Gesichter der Passagiere, um aus ihnen einen möglichen Spitzel herauszufinden.
    Ein Mann mit einem dunkelhäutigen, grobporigen Gesicht, der in Frankfurt zugestiegen war, erweckte meinen Argwohn. Seine runden Züge und seine durchbohrenden Augen erinnerten mich an Kalyanamitra, den indischen Yogi, den ich in meinem Universitätslaboratorium getestet hatte.
    Ich hatte mitangesehen, wie der Guru sich bei einer seiner Vorführungen des Gedankenlesens in einem kleinen Theater von Los Angeles in eine selbstverursachte Trance versetzte. Ich bat ihn, in mein Labor zu kommen, wo er einwilligte, sich gegen ein Entgelt für meine Experimente zur Verfügung zu stellen. Ich schloß ihn an den Grass-Offner-Polygraphen an, der Änderungen des Blutdruckes, des Pulsschlages und der Gehirnwellen registrierte. Er versank sofort in Tiefschlaf, wozu er jederzeit fähig war – so wie man einen elektrischen Schalter anknipst. Während ich beobachtete, wie die für die Pons Region des Gehirns charakteristischen Kurven aus dem elektronischen Schreiber des Registraturs flossen, änderte die Nadel plötzlich ihre Frequenz, als gingen kleine Explosionen von dem Gehirn des Mannes aus. Diese abrupten Zacken in der Registrierung hatten eine solch starke Amplitude, daß ich die Spannungsverstärker um zwei Größenordnungen herunterschalten mußte, um die Spitzen überhaupt noch auf das Papier zu bekommen. Der Verstand des Fakirs übte eine mir unbekannte Tätigkeit aus.
    Nur zwanzig Sekunden nach Beginn dieses eigenartigen Phänomens fingen die Hunde in dem gastroenterologischen Laboratorium, das neben meinem lag, zu heulen an. Kalyanamitra, der ganz in sich gekehrt war, reagierte nicht auf akustische Reize, obwohl ich es mit einer Dezibelzahl versucht hatte, die für das menschliche Ohr unerträglich ist. Das Bellen und verängstigte Winseln hörten abrupt auf, als der Guru aus seiner selbstverursachten Trance erwachte.
    Als Kalyanamitra zu einer zweiten Sitzung kam, trat ein seltsames Phänomen auf, das meine Forschungen in unvermutete Richtungen lenkte.
    Ich erinnere mich lebhaft an jenen glühendheißen kalifornischen Tag. Der Himmel flimmerte in weißer Hitze, die nicht einmal die Klimaanlage zu lindern vermochte. Auf meine Bitte hin war Kalyanamitra wieder in Trance gesunken, und erneut reagierten die Hunde im Labor nebenan rätselhafterweise wie wild, solange sein selbstverursachter Schlaf anhielt. Die Registrierung zeigte
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