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Das dritte Ohr

Das dritte Ohr

Titel: Das dritte Ohr
Autoren: Curt Siodmak
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Hautfarbe überein, sondern glich eher einem Abziehbild.
    Die beruhigenden Worte aus den Lautsprechern verfehlten ihre Wirkung, und es gelang nicht, die auf ihre Sitze gebannten Zuhörer zu überzeugen – noch immer hing unterdrücktes Entsetzen in der Luft, und die Passagiere sahen stumm zu, wie zwei Stewardessen zu ihrer Kollegin eilten, eine sie nach hinten führte, während die andere sofort ihre Aufgabe übernahm und durch den Gang eilte. Die Disziplin der Fluggesellschaft renkte sich wieder ein.
    Die Stewardess zog einige Gurte fester an; ein Sicherheitsgurt bürgte dafür, daß der Passagier sich nicht bewegen konnte.
    Ich beobachtete, wie der Kahlköpfige leise mit dem Luftpiraten – denn das war er wohl – redete, ihm auf die Beine half und dann den schwankenden, inzwischen gefügigen Mann an den Spießrutenblicken der Passagiere vorbei zum hinteren Ende des Flugzeugs brachte. Der Funker folgte, nach links und rechts grinsend, als gehörte dieser Zwischenfall zur Flugroutine. Der schlaffe Luftpirat wurde in die Toilette gestoßen, in der er, wie ich annahm, zusammenbrach, während der Funker vor der Tür Wache hielt. Als der Kahlköpfige zu seinem Platz zurückkehrte, erhaschte ich seinen Gesichtsausdruck: den eines Polizisten nach getaner Arbeit, der durch seine entspannte Art den Leuten die Überzeugung aufdrängt, daß ihre Sicherheit in den besten Händen ist.
    Er blieb vor meinem Sitz stehen und beugte sich vertraulich über mich. Da erst spürte ich den Schmerz an meiner Stirn, wo mich die weggeschleuderte Pistole getroffen hatte.
    „Geben Sie mir das Ding, ehe es losgeht“, sagte er mit einem schiefen Grinsen. Meine linke Hand umklammerte immer noch die stumpfnasige Waffe aus blauem Stahl. Ich reichte sie ihm hastig.
    Er ließ sie in seine Hosentasche gleiten und sagte sachlich: „Sie sind verletzt.“
    Eine besorgte Stewardess beugte sich über mich, diejenige, die der Luftpirat angegriffen hatte. So wie ein abgeworfener Reiter wieder auf sein Pferd steigt, um seinen Schock zu überwinden, erfüllte sie wieder ihre Pflichten.
    „Lassen Sie mich Ihnen ein Pflaster auf die Stirn kleben“, sagte sie, wobei Anteilnahme hinter der Maske ihrer Ausbildung hervorbrach.
    Sie nahm meine Hand, und ich fühlte ihre in meiner zittern. Sie bedurfte des Trostes.
    „Affe“, flüsterte ich, während wir durch den Gang zum Heck des Flugzeugs gingen, wo sich die Erste-Hilfe-Station befand. Obwohl immer noch erschüttert, drückte sie meine Hand und warf mir einen amüsierten Blick mädchenhafter Verschwörung zu.

2
     
    Der Luftpirat war noch immer in seinem Behelfsgefängnis eingesperrt, als sich das Flugzeug zum Hamburger Flughafen Fuhlsbüttel senkte.
    Ich trug das Pflaster auf meiner Stirn wie eine Erkennungsmarke, aber das Schwindelgefühl war verschwunden.
    Im Flugzeug herrschte weiterhin eine gedrückt-gespannte Atmosphäre. Wo immer Gewalt auftritt, hält der psychologische Abwehrmechanismus den Adrenalinspiegel auf erhöhtem Niveau; aber sobald sie vorüber ist, weicht die Erregung der Apathie.
    Ich schaute auf den Flughafen hinab, dessen Hangars vor fünfzig Jahren Luftschiffe wie Graf Zeppelin und Hindenburg geborgen hatten. Olivgrüne Polizeibusse standen aufgereiht neben der Landebahn. Ein Lastwagen mit der Aufschrift „Arnold Bressler, Bordküche“ wurde in eine Lufthansa-Maschine entladen. Polizisten in grauen Jacken und dunklen Hosen drängten sich zusammen. Ein kleiner Polizeihubschrauber landete, zwei Piloten sprangen heraus und zogen ihn von der Landebahn. Wir waren überwacht, unsere Landung eskortiert worden. Ein bewaffnetes Empfangskomitee kam auf das ausrollende und schließlich stehenbleibende Flugzeug zu, und schritt dann zur Gangway, die rasch zur Tür des Flugzeugs gefahren wurde. Die offiziöse Stimme des Piloten aus den Lautsprechern, die den Passagieren befahl, bis auf weiteres auf ihren Plätzen zu bleiben, entfachte das Gefühl der Spannung und Gefahr von neuem.
    Vor uns befand sich der Kontrollturm, darunter ein Restaurant mit einer großen Terrasse und Scheinwerferrampen. Bei einer Lufthansa-Maschine, auf deren blauem Schwanz ein storchähnlicher Vogel in einem gelben Kreis gemalt war, wurden die Triebwerke geprüft. Eine Pan Am 747, die alle anderen Flugzeuge überragte, stand verlassen da; kleine Privatflugzeuge starteten mit knatternden Motoren oder setzten auf einem schmalen, grünen Landestreifen auf. Der Hamburger Flughafen hinterließ, verglichen mit dem lebhaften
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