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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
Autoren: Sebastian Glubrecht
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Silbertablett und bringt mir eine Haxe auf die Bühne. Knoll schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. Damit hat er wohl nicht gerechnet! Mein Blick fällt auf den krossen Schweineschenkel. Sofort erkenne ich am oberen Fleischwulst das perfekte Labium. Ich zücke mein Klappmesser, steche es durch die Kruste und schneide das Stück heraus. Vorsichtig füge ich das Labium wie ein fehlendes Puzzleteil in meine Watzendudel ein. Jetzt ist mein Werk vollkommen.
    Langsam führe ich die Haxe an die Lippen, im Saal wird es mucksmäuschenstill. Ein paar Kinder haben sich vor die Bühne gestellt und staunen mich mit offenen Mündern an. Ich schließe die Augen und puste. Langsam schwillt der Ton an. Er ist wunderschön. Er ist perfekt. Dann der zweite Ton – tiefer, getragener, noch erhabener. Ich fühle eine überwältigende Rührung in mir aufsteigen, aber ich darf mich ihr nicht hingeben, muss konzentriert bleiben. Knoll platzt sicher gerade vor Stolz.
    Aus den Augenwinkeln blinzele ich zu ihm hinüber. Seine Stirn liegt auf dem Tisch, die Hände hat er über dem Kopf zusammengeschlagen. Was ist denn da los? So kann er mich doch gar nicht sehen! Und Roni? Wenigstens sie schaut mich an. Ihre Augen strahlen. Vor Ergriffenheit hält sie sich die Hand vor den Mund. Nein. Sie hält sich den Mund zu.
    Roni lacht. Und Knoll lacht auch. Sein massiger Oberkörper bebt, dass der Tisch wackelt. Ich schaue in den Saal. Keiner der Anwesenden ist in Andacht versunken. Niemand lauscht glückselig den innigen Klängen meiner Watzendudel. Im Gegenteil: betretene Gesichter, dann unterdrücktes Kichern, schließlich offenes Gelächter. Eine gewaltige Lachlawine wälzt sich durch den Saal, tost an den Bühnenrand und begräbt mich unter sich. Mir stockt der Atem, mein Ton wird schwächer und erstirbt schließlich. Ich erstarre.
    Inmitten des Gelächters erhebt sich Knoll. Ganz langsam rückt er vom Tisch ab und geht auf mich zu. Sekunden dehnen sich zu Ewigkeiten. Irgendwann steht er neben mir und legt den Finger an die Lippen. Ruhe kehrt ein.
    Knoll muss ein paar Mal tief Luft holen, bevor er sprechen kann. Mit einer Hand wischt er sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln. «Waschtl, des war a tolle Redn», sagt er und wendet sich direkt an mich. «A jeder soid probiern, a bisserl netter zu die Preißn zu sein. Aber oans wui i da über Vorurteile sogn: Du host da jeds Wort gmerkt, des i dia übers Watzendudeln verzeit hob. Oiso stimmts: Ihr Preißn seids genau.»
    Ich nicke ertappt, aber auch ein wenig stolz.
    «Und ihr Preißn seids diszipliniert, wei du glernt host, auf a Haxn a Musi zum spuin. Des is bstimmt ned leicht gwesn.» Jetzt schaut er mir direkt in die Augen, und ich sehe in seinen den Schalk blitzen. «Aba oans is aa sicha: Ihr Preißn hobts kon Sinn fia Humor ned. Waschtl, i mogs kaum sogn, aba des Gschichtl vom Watzendudeln – des is bloß a Gaudi gwesn.»
    Meine Knie werden schwach. Knoll legt mir den Arm um die Schultern. «Nix fia unguat. Mia san mia, und du bleibst du. Und des passt scho.» Mit der Rechten drückt er mich an sich, mit der Linken hebt den Bierkrug: «Prost, du Saupreiß, bayerischer», ruft er, und wir stoßen an.
    Die Blasmusik beginnt zu spielen. Knoll führt mich von der Bühne an seinen Tisch. Nebenbei bemerkt er: «Des is fei a interessante Hosn. Passend zua Musi, ge?»
    Dann stehe ich mit einem Mal vor Roni und kriege keinen klaren Gedanken zusammen. «Ich habe extra für dich Bodybuilding gemacht», stammele ich idiotischerweise.
    Ihr Blick wird weich. Dann scheuert sie mir eine. «Vollidiot», sagt sie und nimmt mich in den Arm. «Trotzdem – ich bin froh, dass du wieder da bist.»
    Am Brauttisch ist noch ein Platz frei. Zu dem Gedeck gehört auch ein Namensschild. Darauf steht in geschwungener Schrift: da Waschtl .
    Roni packt mich und zieht mich auf die Tanzfläche. Zu den Klängen der Blasmusik drehen wir uns langsam im Kreis. Als der Trompeter einmal ein Solo spielen muss, legt er schnell sein Instrument beiseite und führt meine Watzendudel an die Lippen, die ich auf der Bühne liegen gelassen habe. Alle lachen, als der schiefe Ton der Knochenflöte über die Tanzfläche hallt. Ich auch.

DEM KNOLL IS WOS EIGFOIN
    D ie Aussöhnung mit Roni war nicht so leicht, wie ich es mir erhofft hatte. Am Tag nach der Hochzeit trafen wir uns zum Frühstück. Alles sollte perfekt sein. Also schickte ich Jochen zurück nach Berlin, kaufte Blumen, frische Semmeln, briet Eier und machte einen ganz
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