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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
Autoren: Sebastian Glubrecht
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Saales finde ich einen Tisch, der ziemlich weit von Roni, Knoll und Regina entfernt steht. Es ist der Platz für die – genau: entfernten Bekannten. Dort sitzt ein älteres Paar in ehelicher Kombination; er im fliederfarbenen Anzug, sie im fliederfarbenen Kostüm. Im Alter teilt man wohl auch die Liebe zum schlechten Geschmack. Die Glücklichen! Immerhin haben sie ihre Liebe noch.
    Die Fliederfarbenen starren stur nach vorn auf die Bühne, obwohl dort gar nichts passiert. Vorsichtig ziehe ich einen freien Stuhl zu mir heran, und als niemand einschreitet, setze ich mich. Eine Kellnerin fragt nach unseren Getränkewünschen. Da ich diesmal unbedingt nüchtern bleiben möchte, bestelle ich «irgendwas ohne Alkohol». Sie bringt mir ein Radler.
    Nun betritt ein glattrasierter und gescheitelter Fünfzigjähriger die Bühne und bittet mit dem leichten Akzent heimatverbundener Intellektueller um Ruhe. «Grüß Gott miteinander», wünscht er. «Die meisten hier kommen aus Dumbling und kennen mich bereits. Ich bin der Toni, ehemaliger Pfarrer, amtierender Gastwirt, und damit heimlicher Hirte dieser Gemeinde.»
    Szenenapplaus.
    «Regina und Hubert haben bereits standesamtlich geheiratet. Die kirchliche Heirat fällt aus folgenden Gründen aus: Erstens ist da nicht so viel Platz wie hier, und zweitens darf man drüben kein Helles trinken.» Lachkanonengelächter.
    «Manche von euch möchten bestimmt ein Liedchen singen oder eine Rede halten. Auf jedem Tisch steht eine Nummer, es gibt dreißig Tische. Tisch eins fängt an, Tisch dreißig hört auf. Bis zur Silberhochzeit sollten wir fertig sein.» Erneut ein Brüller. Hoffentlich sahne ich auch so ab! Unser Tisch trägt die Nummer dreißig.
    «Ich will es kurz machen: Lieber Knoll, als ich gehört habe, dass du wieder nach Dumbling ziehst, habe ich gestaunt. Aber als man mir dann noch erzählte, dass du ein Spracherkennungssystem für Dialekte zum Patent angemeldet hast und hier in Dumbling deine Firma aufbauen wirst, da bin ich aus dem Staunen gar nicht mehr herausgekommen. Am erstaunlichsten aber ist, dass du ein Haus gekauft hast und endlich mal sesshaft wirst.»
    Lachkanonen-Szenenapplaus. Ich bekomme den Mund gar nicht mehr zu. Das sind mal Neuigkeiten!
    «Liebe Regina», fährt der Redner fort. «Ich bin glücklich, dass du in Dumbling bist und bleibst. Und noch glücklicher bin ich darüber – und das darf ich heute Abend offiziell verkünden –, dass du die Küche hier im Trachtlerhof übernehmen wirst. Und wennst den Schorsch mitbringst, da ham die Buam aa wos zum Spuin.»
    Er wisse aus eigener Anschauung, schließt der Redner, dass Knoll ein mehr als guter Esser sei (bei diesen Worten nicken viele der Anwesenden). Mit Regina habe Knoll endlich, und er sei froh, dass dieses Bild nun endlich mal Sinn ergebe, den Deckel zu seinem Topf gefunden. «Ich wünsche euch beiden von Herzen alles Gute. Gott beschütze euch! Knoll, du darfst die Braut jetzt küssen.»
    Aber Knoll will überhaupt nicht küssen. Er ziert sich und dreht den Kopf weg, doch Regina packt ihn mit beiden Händen und drückt ihm einen dicken Schmatzer auf den Mund. Knoll schaut zuerst erbost, grinst dann aber liebevoll.
    An Tisch eins erhebt sich nun eine Gestalt in weißer Hose, blauem Waffenrock und rotem Leibchen. Was ist denn das für einer? Auf seinem Quadratschädel prangt ein schwarzer Zweispitz. Er tritt auf die Bühne und ergreift das Mikrophon.
    Eine Männerstimme aus dem Pulikum ruft: «Napoleon!» Der General legt die Hand wie ein Späher an die Stirn und fixiert den Störer. «Des is a boarische Uniform», stellt er richtig. «Gebts der blinden Frau no a Hoibe.» Alle lachen.
    Er zückt einen Zettel aus seinem Waffenrock und legt los: «Liaba Knoll, verehrteste Frau Knoll.» Er zwinkert schelmisch. «I woaß, Bayern und Preißn, des passt ned zamm. Aba i hob a guade Nachricht: Die aus Hannova, die san bloß wega uns zu Preißn gwoan.» Ich horche auf. «Im Jahre achtzehnsechsundsechzig ham die Preißn bschloßn, Hannova zu anektian. Die von Hannova ham aba koane Preißn ned wern woin und ham Bayern um Hilfe gebeten. Aba mia san ned rechtzeitig loskemma. Wahrscheinlich hama grad Brotzeit gmocht.»
    Pause für das erwartete Gelächter.
    «Wie unsa Prinz Karl mit seine Leit in Meiningen gwesn is, hot er von da Niedalage dera von Hannover bei Langensalza erfahrn. Dafüa wollt i mi in dera Uniform heit offiziell entschuidign. Tschuidigung.»
    Szenenapplaus, diesmal eher verhalten.
    Im folgenden
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