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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
Autoren: Sebastian Glubrecht
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eine Eins. Obenherum strahlt mein tailliertes weißes Hemd; die ersten beiden Knöpfe habe ich offen gelassen, das Brusthaar frisch gestutzt. Statt Haferlschuhen trage ich Prada.
    Am Eingang des Trachtlerhofs sitzt eine Delegation in den obligatorischen speckigen Lederhosen und weißen, kragenlosen Trachtenhemden. Der Mann in der Mitte scherzt mit den Neuankömmlingen und hakt ihre Namen auf einer Liste ab. Wahrscheinlich würden andernfalls dutzende feierfreudiger Bayern aus den umliegenden Dörfern anreisen und ungefragt das Buffet plündern.
    Mein Gesicht will der Türsteher nicht kennen. Angeblich steht auch mein Name nicht auf seiner Liste. Aber meine Lederhose interessiert ihn. «Wo kimmt die her?», will er wissen.
    «Aus Italien», antworte ich stolz und merke im gleichen Augenblick, dass ich einen Fehler gemacht habe. «Also eher aus Tirol», rudere ich zurück. «Früher gehörte Tirol ja mal zu Bayern. Aus dieser Zeit stammt die Hose. Von Gastarbeitern, die sie nach Bayern eingeführt haben. Sie ist ein erster Entwurf der Bayrischzeller Tracht.» Brummbär sei Dank.
    Misstrauisch mustert mich der Einlasser von Kopf bis Fuß. Schließlich beugt er sich vor und deutet auf meine Füße: «Naa, mit dene Schuah kimmst do ned nei.» Mir fällt nichts ein außer: «Aber …» Hinter mir stauen sich die Gäste. Ohne die Miene zu verziehen, winkt der Einlasser den nächsten Besucher durch: «Servus Steffl, konnst glei neigeh.»
    «I bin ned da Steffl!»
    «Ah geh, des passt scho.»
    Ich laufe rot an. «Ich wurde eingeladen, von Knoll persönlich. Und ich habe ihm etwas Wichtiges zu sagen», ereifere ich mich.
    Der Einlasser sieht mich versteinert an. Als ich gerade den Rückzug antreten will, grinst er breit: «Ah geh, Waschtl, hob i di. Des mit die Schuah woit i scho immer amoi sogn. Geh scho, wünsch da fui Spaß mit deina Italienerhosn.»
    Der Festsaal erstreckt sich so weit wie die Bierhalle des Hofbräuhauses. Am hinteren Ende steht eine fünfzig Meter breite Bühne, davor, hufeisenförmig angeordnet, Stühle mit Trompeten, Tubas, Hörnern und Keyboards. An der Längsseite des Saales ist ein bayerisches Buffet aufgebaut: Fleisch gegrillt, gekocht, gebraten, geschmort, mit Gemüse gefüllt, mit Käse überbacken, dazu Kartoffelsalate in allen Variationen, Würste, Obazda und dicke Brotlaibe. Auf einem Silbertablett stapeln sich riesige, knusprig braun gegrillte Haxen. Ein Bankett wie bei Asterix. Würde heute die Welt untergehen, hier drinnen gäbe es genug Nahrung, um eine neue Zivilisation zu gründen.
    Im Saal stehen etwa dreißig schwere Eichentische, an denen je sechs schwere Personen Platz haben. An einem Tisch erblicke ich Lissy, die Ochsentreiberin. Wahrscheinlich ist es besser, wenn ich fürs Erste unentdeckt bleibe. Als ich mir gerade einen abgelegen Platz suchen will, trifft mein Blick auf den von Urs, dem Rankler. Er funkelt mich böse an. Schuldbewusst senke ich den Kopf. O Gott, wenn der schon von meinem Wiesn-Fiasko gehört hat, dann kennen wahrscheinlich auch alle anderen Gäste die Geschichte.
    Ganz vorn, direkt an der Tanzfläche, stehen Regina und Knoll. Wie ein Königspaar nehmen die beiden die Segenswünsche ihrer Gäste entgegen. Neben ihnen entdecke ich Roni. Ihr Gesicht ist schmal geworden, die Wangenknochen stehen hervor. Das blonde Haar trägt sie jetzt kürzer. Roni sieht traurig aus. Eine mit zu viel Goldschmuck behängte Gratulantin geht auf sie zu und schüttelt ihr die Hand. Kaum hat sich der Tannenbaum wieder abgewandt, erstirbt Ronis Lächeln. Sie streicht sich die Haare hinters Ohr und schaut zu Boden. Plötzlich tut mein Herz weh.
    Als hätte sie meinen Blick gespürt, dreht Roni sich um und schaut in meine Richtung. Ich verstecke mich hinter einer Säule und beginne, leise bis hundert zu zählen. Bei dreiundsiebzig tippt jemand gegen mein Knie. Mir rutscht das Herz in die Lederhose. Langsam öffne ich die Augen. «Hobi di», sagt ein Stimmchen. Vor mir steht der kleine Kilian. Ich atme auf. «Kilian!»
    «A varreck, du Möada! Ogschmachts Mannsbuidl! Den Ludwig hosd umbracht, du Krippei, hundsheitana. Wenn i …»
    Zum Glück setzt hier und jetzt Blasmusik in ohrenbetäubender Lautstärke ein. Mit den Händen bedeute ich dem kleinen Teufel, dass ich ihn zu meinem Bedauern nicht mehr verstehen kann. Doch der Junge ist flexibel und zeigt mir einfach den Stinkefinger. Als er sicher ist, dass ich die Botschaft verstanden habe, zieht er ab. Gott sei Dank.
    Am anderen Ende des
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