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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
Autoren: Sebastian Glubrecht
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Beppi vom Stuhl. Er steht auf, wirft die Beine nach hinten, knickt dabei leicht in der Hüfte ein und bewegt die Arme wie beim Langlauf, nur schneller. Ich bin baff.
    Johannes legt die Lippen ans Mikrophon und beginnt einen bayerischen Sprechgesang, den ich irgendwo zwischen Liturgie, Rap und Speedmetal verorte. Ich verstehe nur Wortfetzen: «Madl», «Stadl», «schenk i Rosen», «laare Hosn».
    Beim Refrain legen sie noch mal einen drauf. Knoll und Huberfranzl schwenken ihre Instrumente synchron im Takt und schwingen abwechselnd das linke, dann das rechte Bein nach vorn. Das hier ist etwas ganz Neues. Knoll und seine Band ahmen keine Vorbilder aus Amerika nach, sie scheren sich nicht um Schubladen wie Punk oder Volksmusik. Sie machen einfach echte Rebellenmusik.
    Beim zweiten Song steige auch ich in den Langläufertanz ein. Schließlich hebt Beppi die Arme, und die Musiker beenden ihren Gig mit einem gemeinsamen Schlussakkord. Beppi klatscht in die Hände. «Das war großartig, das war neu, das war böse!»
    Knoll setzt die Trompete ab. «Naa, bes war des ned.»
    «So meine ich das nicht. Ihr seid engagiert, Jungs – ich meine, Männer, Papa. Ihr werdet der absolute Überraschungshit!» Beppi reibt sich das Kinn. «Das Einzige, was euch noch interessanter machen könnte, wäre eine Sängerin.»
    «Ah geh!», kommt es einstimmig zurück.
    «Nein, wirklich, so ein junges, blondes, wildes Mädchen. Eine Mischung aus Heidi und Tank Girl, eine bayerische Blondie – sexy, aber rebellisch.»
    Huberfranzl tritt vor. «Die Vroni vom Knoll ko singa!»
    «Naa», wiegelt Knoll ab. «Die is do ned sexy.»
    «Moment», wende ich ein. «Ich finde sie schon sexy.» Aber das will Knoll nicht hören.
    «Böse!» Beppi ist völlig aus dem Häuschen. Er zückt einen Edding und schreibt mir seine Handynummer auf den Arm. Dann muss er schnell nach draußen, um zu telefonieren. Die Musiker legen ihre Instrumente beiseite und kommen auf mich zu.
    «Wie heißt eure Band überhaupt?», frage ich.
    Bumms antwortet: «Mia ham lang übalegt. Und dann is dem Knoll wos eigfoin!»
    Knoll öffnet den Mund und sagt langsam, Buchstabe für Buchstabe: «M-I-A.»
    Bumms erklärt: « Mia is a oids boarisches Wort. Mia san mia, verstehst?»
    Ich schüttele den Kopf: «Die Idee ist gut, aber leider gibt es schon eine Band, die so heißt. Die hat auch eine blonde Sängerin und kommt aus Berlin.»
    «Wieso hoaßn die dann mia ?» Knoll schüttelt ratlos den Kopf.
    Das Scheunentor geht auf. Beppi kommt herein und steckt sein Mobiltelefon in die Innentasche der Lederjacke. «So Jungs, Männer. Ich habe gute Nachrichten. Ihr spielt am Samstag, kurz vor dem Headliner. Habt ihr schon einen Namen?»
    Aller Augen richten sich auf mich. «Ja mei», sage ich und grübele verzweifelt.
    «Nicht schlecht», meint Beppi. «Und das schreiben wir einfach englisch: Jam I . Dschäm heißt Blockade und Ei heißt Ich, die Ich-Blockade – das ist Punk!»
    Die Männer starren Beppi an, als habe er soeben verkündet, er wolle sich Flügel annähen lassen. «Von mia hod a des ned!», brummt Bumms und schüttelt den Kopf.
    «Das Konzert steigt in zwei Wochen im Molotow», erklärt Beppi. «Ich buche für euch ein Hotel. Alles Weitere kläre ich mit eurem Manager.»
    Beppi gibt jedem von uns die Hand und schwirrt von dannen. Jetzt bin ich auf einmal Manager einer bayerischen Skaband, und meine Freundin wird wahrscheinlich die Frontfrau. Nicht schlecht.
    «Habt ihr eigentlich einen Tourbus?», frage ich in die Runde.
    Johannes nickt. «I hob so an oiden ausgebauten VW-Bus vom Sportverein, aba da gibts a Problem.» Betretenes Schweigen. «Kana von uns deaf no Auto fahn. Wega am Kavaliersdelikt.»
    Die ganze Mannschaft schaut schuldbewusst zu Boden. «Ihr habt alle den Führerschein verloren?», frage ich fassungslos. «Aber Knoll, du fährst doch die ganze Zeit. Dein Wagen steht draußen vor der Tür!»
    «Ah geh, des san nur Kuazstrecken.»
    Gegen die sind die Sex Pistols wirklich Chorknaben.
     
    Am Abend sitze ich mit Roni in der Sitzecke von Knolls und Reginas Küche in Dumbling. Regina hat zur Feier des Tages einen Sauerbraten gemacht. Roni kann nicht fassen, was ich ihr eben verkündet habe. Sie ist begeistert.
    Ich erzähle von der Oranienstraße in Berlin, dem ehemaligen Kreuzberger Linksradikalenbezirk, der Punkszene und ihrem Lieblingstreffpunkt, dem Molotow. «Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich was für euch Bayern ist», schließe ich. Einmal mehr habe ich
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