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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
Autoren: Sebastian Glubrecht
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originalgetreu nachgebildeter Dörfer aus Deutschland, England, Frankreich, Italien, Schottland und Irland in die Welt des alten Europa zurückversetzen zu lassen. Darauf hatte ich natürlich gerade Lust. Das Oktoberfest sei «im vollen Schwingenjahr rund an den Busch Gärten Williamsburg» warb der Prospekt. Und weiter: Verschalen Sie den großen schlechten Wolf und das Rennen durch ein verlassenes bayerisches Dorf. Das 2000-seat Festhaus stellt ein Oompahart Band zur Schau und authentischer Deutscher tanzt zusammen mit dem country’s feinsten cuisine. Spitze!
    Nach einem Marsch durch den lustigen Englandpark und das langweilige Frankreich hörte ich schon aus der Ferne das satte Furzen einer Tuba. Wir näherten uns Deutschland. Genauer: der bayerischen Apokalypse. Überall wehten weiß-blaue Fahnen. Hölzerne Giebel und grellgrüne Geranienkästen verschandelten die Häuser. An jeder Ecke tanzte ein amerikanischer Minilohn-Empfänger Schuhplattler. Auf dem original bayerischen Marktplatz vor dem «Festhaus» blieben meine amerikanischen Freunde stehen. Sie bildeten einen kleinen Kreis wie beim Breakdance. Dann nickten sie mir aufmunternd zu. Als ich mich nicht rührte, begann einer nach dem anderen, die Knie in den Baggypants hochzureißen und sich mit den flachen Händen auf die Oberschenkel zu klatschen. Zuerst dachte ich, sie wollten mich veräppeln, und lachte kumpelhaft. Aber es war kein Scherz. Ich hätte am liebsten meinen Kopf durch das original Kopfsteinpflaster ins Erdreich gerammt. Aber dann wäre ich bei meinem Glück wahrscheinlich im Allgäu wieder herausgekommen. Meine friends müssen meinen inneren Kampf gespürt haben. Sie fragten, was denn mein Problem sei.
    «Bavaria», antwortete ich.
     
    Am Innenspiegel von Knollhuberts Pick-up baumeln zwei kleine Anhänger: eine indianische Trommel und ein Mini-Jagdhorn. Seine Pranke fährt zum Autoradio, er schnippt die Kassette heraus. «Was mogstn hearn?», fragt er. «Blasmusi?» Er grinst provokant.
    Ich zögere, denn ich weiß nicht, wie lange die Fahrt dauern wird. «Ach, da bin ich ganz offen», lüge ich tapfer.
    «Ja dann», sagt Knoll, klappt die Armstütze hoch, greift sich eine Kassette und schiebt sie in den Recorder. Ich nehme mir fest vor, weder zu lachen noch zu weinen – selbst wenn er zu jodeln anfinge.
    Leider werde ich nicht enttäuscht: Aus den Boxen scheppert ein Marsch, wie man ihn aus den Musikantenstadln der Regionalsender kennt. Aber im Fernsehen kann man weiterzappen, hier nicht. «Mogst des?», fragt Knoll und grinst noch ein wenig breiter.
    «Klingt super», antworte ich höflich.
    «Dann moch i a bisserl lauter, da host mea davo.»
    Langsam rollen wir vom Parkplatz auf die Straße. Vor uns fährt stockend ein BMW; offensichtlich ein Mietwagen, dessen Fahrer aus einem Land kommt, in dem es keine Handschaltungen gibt. «Herrschaftszeitn, jetz deafst aba schee langsam schnella wean», flucht Knoll.
    Nachdem wir eine halbe Minute im Schneckentempo hinter dem ruckelnden BMW hergerollt sind, gibt er Gas, schert aus, setzt sich neben den Mietwagen und führt mit einer Hand die international gültige Plemplem-Geste in Richtung des Fahrers aus. Der Asiate am Steuer schaut zu uns herüber und lächelt entschuldigend. Knoll zieht vorbei und flucht leise in seinen Bart: «Saupreiß, kinesischer.»
    Die Straße mündet in eine vierspurige Autobahn. Dichter Verkehr, von beiden Seiten überholen uns teure, schwarze Autos, in denen in der Regel nur der Fahrer sitzt. Rechts ein futuristisches Kolosseum (das neue Münchener Fußballstadion), am Horizont glänzt ein Büroturm. Alles picobello und effizient organisiert. Sogar die Schilder der Vororte strahlen wie frisch poliert. Die Namen darauf enden gern mal auf -ing: Eching, Garching, Ismaning. Ich habe gehört, dass es in Bayern die Orte Petting, Poing, Tittmoning und Dingharting gibt. Insgeheim hoffe ich auf die Stadtteile Mobbing, Doping oder Cockring. Leider kommt bloß Daglfing. Dort werde ich fortan wohnen müssen.
    Jeder weiß, dass man in München keine Wohnung findet, ganz gleich, was für eine man sucht. Die Zeitung, bei der ich arbeiten werde, hat mir sehr geholfen. Umstandslos vermittelten mir meine neuen Kollegen eine Bleibe weit draußen vor den Toren der Stadt, die zwar genauso groß ist wie meine Berliner Wohnung, aber doppelt so viel kostet. Zum Glück zahlt die Zeitung die Hälfte.
    Daglfing entpuppt sich als typischer Kleinfamilienhort. Die meisten Häuser sind solide
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