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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
Autoren: Sebastian Glubrecht
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Flughafen Tegel. Keine Schlange am Schalter, nicht mal Personal. Die Schalterdamen haben sich bereits hinter die Sicherheitsglasscheibe zurückgezogen. Ich rudere mit den Armen, bis eine von ihnen hervorkommt.
    «Das klingt sicher komisch, aber ich muss wirklich sehr dringend nach München.»
    Sie verzieht keine Miene. «Der Zufahrer ist schon abgefahren. Ich kann nichts mehr für Sie tun.»
    9 : 05 UHR
    Bevor ich umbuche, rufe ich in München bei Herrn Untermair an, um zu fragen, ob mich jener Knoll auch eineinhalb Stunden später abholen könne. «Der Knoll ist schon weg», sagt er. Und seine Handynummer? Schallendes Gelächter. «Der hat doch kein Handy!» Ich werde also in München ankommen, und mein Abholer wird bestenfalls zwei Stunden auf mich gewartet haben. Schlimmstenfalls ist er nicht mehr da. Ich schlurfe zum Ticketschalter. «Da hat wohl eener sein Flug verpasst, wa?», berlinert mich eine Ostmutti mit pflaumenblauen Haaren an. Ich nicke. «Schicksal, meen Hübscha. Hier in Balin is ett ehmt doch am schönsten.»

DA PREISS HOD DIE PÜNKTLICHKEIT FEI NED ERFUNDN
    V on oben sieht Bayern aus wie eine Siebziger-Jahre-Gardine: ein biederes Muster aus Vierecken in Gelb, Grün und Kacke. Das wirkt sehr nährstoffhaltig. Kein Wunder, dass die bayerischen Bauern während des Ersten Weltkrieges ganz Preußen versorgen konnten, mit den Erträgen ihrer riesigen Äcker und der Milch ihrer fetten braunen Kühe. Heute nennt man diese Schnorrerei offiziell Länderfinanzausgleich. In der Zeitung stand: 2006 zahlte Bayern 2,08 Milliarden Euro in den Topf, nur noch überflügelt vom neureichen Hessen. Berlin zahlte gar nichts ein, Berlin kassierte – und zwar mehr als alle anderen: 2,7 Milliarden Euro, umgerechnet 794 Euro pro Kopf. Dass die Berliner das meiste Geld davon für Partys ausgeben, wissen die Leute, auch ohne dass es in der Zeitung steht.
    Vor vier Jahren plädierte eine Berliner Spaßpartei bei den Kommunalwahlen für einen offiziellen Anschluss Berlins an Bayern – zur Tilgung der Senatsschulden. Ich hielt das für eine lustige Idee und habe die Partei gewählt. Aus Spaß. Ironie des Schicksals, dass ich nun nach München ziehen muss.
    Als engagierter Journalist habe ich weiterrecherchiert und noch mehr Fakten über Bayern herausgesucht:
Jeder zweite Einwohner des Freistaates ist übergewichtig.
Verheiratete Bayern neigen eher zu Fettleibigkeit als ledige.
Das unter Freigeistern verhasste Studienfach Betriebswirtschaftslehre (BWL) ist seit Jahren das beliebteste Fach bei bayerischen Studenten.
Auf je tausend Bayern kamen zu Jahresbeginn 2006 durchschnittlich 603 Pkws.
Mit einer Gesamtlänge von 86 000 Kilometern könnte das bayerische Abwassernetz zweimal die Erde umspannen.
    So würde wenigstens die bayerische Jauche etwas von der Welt sehen.
     
    «Meine Damen und Herren, bitte legen Sie die Sitzgurte wieder an und klappen Sie die Lehnen hoch. In wenigen Minuten landen wir auf dem FranzJosef-Strauß-Flughafen von München.» FranzJosef-Strauß-Flughafen! Danke, keine weiteren Fragen.
    Das Flugzeug wackelt, als es durch die Wolkendecke bricht. Die meisten Passagiere blicken nicht einmal von ihren Notebooks oder der Financial Times auf. Meine Sitznachbarin, die in ihrem Bürokostümchen aussieht wie die «Sekretärin» aus einem Pornofilm, klammert sich an ihre braune Handtasche. Die blonden Haare hat sie streng zurückgekämmt, auf ihrer Stupsnase trägt sie eine Brille mit schwarzem Rahmen. Knallrot geschminkte Lippen stechen aus ihrem blassen Gesicht hervor. Nicht uninteressant. Hoffentlich ist sie haftpflichtversichert.
    Ich lege meine Hand auf die Armlehne zwischen uns. Sie soll sie ruhig ergreifen. Auf ihrer braunen Handtasche stehen die Buchstaben LV in übereinandergelegten Lettern. «Entschuldigen Sie», sage ich, um sie ein bisschen von ihrer Flugangst abzulenken. «Ich sehe gerade die Initialen auf Ihrer Handtasche und frage mich, wofür die wohl stehen – etwa für Lola Vanderbildt oder Livia Vonderleyen?»
    Ihr ängstlicher Blick weicht einem herablassenden Lächeln. «Das wissen Sie nicht? Das ist doch das Muster von Louis Vuitton. In der Maximilianstraße haben wir eine Dependance. Ich arbeite da.»
    Das Flugzeug rummst auf die Landebahn. Die Frau hört schlagartig auf zu prahlen und greift nach meiner Hand. Geht doch. Als sicher ist, dass wir auf dem Boden bleiben werden, lässt sie mich leider wieder los. Ihre Wangen bekommen etwas Farbe. Sofort holt sie ein kleines Döschen heraus,
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