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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
Autoren: Sebastian Glubrecht
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Neubauten mit zwei Stockwerken, einem Balkon aus hellem Holz und einem kleinen Garten mit einem großen Zaun drum herum. Von den Einfamilienhäusern anderswo unterscheiden sich die in Daglfing vor allem durch die heimatfilmreif aufgeklappten Fensterläden. An so einem Fenster schüttelt die bayerische Hausfrau sicher leidenschaftlich gern ihr echtes Federbett im kleinkarierten Überzug.
    Vor einem dieser Häuser hält Knoll. Die Fassade ist unten herum weiß gestrichen und oben herum mit dunkelbraunen Holzleisten verkleidet. Im zweiten Stock hängen weiß-blaue Gardinen. Wie damals im Bavaria-Land. Ganz unten auf dem Klingelschild steht passenderweise «Untermair», darüber «Knoll» und oben «Einliegerwohnung». Das bin dann wohl ich. Knoll klingelt.
    Kaum hat er den Finger vom Knopf gelöst, öffnet ein Mittdreißiger die Tür, dessen Erscheinungsbild nur mit «gelackt» zu fassen ist: gelackte Haare, Lackschuhe, Lackaffengrinsen. Ich schalte auf professionell: «Wie schön, Sie kennenzulernen», sage ich und stelle mich vor. Mein Gegenüber entblößt zwei tadellos weiße Zahnreihen.
    «Untermair, grüß Sie Gott.»
    «Was für ein schönes Haus», lüge ich los. «Es erinnert mich an die Gegend bei Hannover, in der ich aufgewachsen bin.»
    «Hannover?», fragt Untermair mitleidig. «Früher haben wir immer gesagt: Nix ist doofer wie Hannover.»
    «Das ist ja lustig», antworte ich.
    Im Flur hängen alte Stickereien und Kupferstiche von Jagdszenen. Wir steigen eine kalte Steintreppe hinauf. Den zweiten Stock schmücken Fotos und Erinnerungsstücke: zwei Bergsteiger unterm Gipfelkreuz, das Gruppenfoto einer Cowboy-Posse, ein in seine Meditation vertiefter buddhistischer Mönch. In der Mitte prangt ein Foto von einem Lederhosenträger in der roten australischen Wüste vor diesem legendären Berg da. «Hier wohnt der Herr Knoll», erläutert der Vermieter. «Er ist die gute Seele des Hauses, nicht wahr, Knoll?» Ich drehe mich um. Aber Knoll ist verschwunden. Wahrscheinlich zum Lachen in den Keller. «Knoll?», ruft der Vermieter. Keine Antwort. «Na ja, der Knoll hat so seine Eigenarten», erklärt er. «Aber die werden Sie noch früh genug kennenlernen.» Ich kann es kaum erwarten!
    Meine zwei Zimmer bilden das Dachgeschoss des Hauses. Rustikale Fachwerkbalken durchziehen die Wohnküche; auf dem grauen Teppichboden steht ein trauriger alter Korbsessel, dem ein schemelartiger Tisch Gesellschaft leistet. An der Wand klebt eine rudimentäre Kochzeile mit zwei Herdplatten, darüber ein Poster mit bunten Gewürzpulverhäufchen drauf. Die Dusche ist winzig, das Klo auch. Der weiße Einbauschrank ist mit Hanuta-Bildern längst abgetretener Fußball-Nationalspieler zugepflastert: Guido Buchwald, Thomas Häßler, Olaf Thon. Neben einem grauen Tisch und einem braunen Stuhl gibt es noch ein achtzig Zentimeter breites und ziemlich kurzes Bett. Wahrscheinlich wird in dieser Gegend traditionell nicht so viel geschlafen.
    Im zweiten Zimmer stehen ein Fernseher und eine mit verwaschenem Neonstoff bezogene Achtziger-Jahre-Couch. «Das ist das Fernsehzimmer», erklärt der Vermieter. «Hier oben habe ich früher gewohnt. Jetzt lebe ich mit meiner Frau und Kilian unten», seufzt er. «Ich stelle Sie vor, wenn Sie Ihr Gepäck heraufgetragen haben.»
    Plötzlich drückt sich etwas an meine Wade. Mit einem erschrockenen «Huch!» ziehe ich das Bein hoch. Eine rotgetigerte, erstaunlich fette Katze flitzt unter mir hindurch, hopst auf das Sofa und wälzt sich, dass die Haare fliegen. Dann hält sie inne, um mich garstig anzufauchen. «Ruhig, Ludwig», besänftigt Untermair das Tier. «Das ist Ludwig, der Hauskater. Bitte halten Sie stets die Fenster geschlossen, damit er nicht herausfällt. Ach ja, ich hoffe, Sie haben keine Katzenallergie.» Ohne eine Antwort abzuwarten, dreht Untermair sich um und verlässt das Zimmer. Ich öffne das Fenster.
    Eine halbe Stunde später lerne ich Frau Untermair kennen: rote Bäckchen, stämmige Arme, blonde Haare – eine echte Bayerin. «Griaß di», sagt sie zu mir. Ich nicke freundlich. Hinter ihrem ausladenden Gesäß versteckt sich ein Kind. Wahrscheinlich der kleine Kilian. Ich gehe in die Hocke und sage: «Na, wo ist denn der kleine Mann?»
    «Saupreiß, damischer!» Kilians Stimmchen dringt gedämpft hinter Mutters schützendem Hintern hervor.
    Frau Untermair errötet: «Des müssens entschuldigen, des hat er vom Opa, der is so a Grantler», klärt sie mich auf.
    «Glädzn», flucht Kilian
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