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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
Autoren: Sebastian Glubrecht
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klappt es auf, wirft einen prüfenden Blick in den Schminkspiegel und legt weißen Puder nach, bis sie wieder krank aussieht. Ganz geschäftsmäßig greift sie in die Innentasche ihres Jacketts und überreicht mir eine Visitenkarte wie zum Handkuss. Darauf steht: Theresa Schlugt.
    Kaum erlöschen die Anschnallgurtsymbole, springt das Fräulein Schlugt auf, öffnet mit sicherem Griff die Gepäckablage und verschwindet mit einer weiteren LV-Mustertasche zum Ausgang. Genauso die Anzugträger mit ihren Krawatten und Notebooktaschen. Hier hat man keine Zeit zu vergeuden, hier wird Geld verdient! Schließlich nehme auch ich meinen Rucksack und verlasse das Flugzeug. Zum ersten Mal in meinem Leben betrete ich bayerischen Boden.
    Der Flughafen sieht aus wie das Projekt einer Designhochschule zum Thema «Airport der Zukunft». Im Vergleich dazu ist Berlin-Schönefeld eine Hühnerfarm, Berlin-Tegel ein Busbahnhof und Berlin-Tempelhof, na ja, so hat sich Adolf Hitler eben die Zukunft vorgestellt. Hier auf dem FranzJosef-Strauß-Flughafen werden die Ankommenden über eine gläserne Brücke mittels Laufbändern und raffinierter Passagierleitsysteme kilometerweit in eine von vielen Gepäckhallen geleitet. Entgegen meinen Erwartungen sehe ich nirgendwo Stacheldraht oder Polizisten mit Maschinengewehren, die uns von hohen Türmen aus beobachten. Vor dem Ausgang wachen keine deutschen Schäferhunde. Hat Innenminister Beckstein geschlampt? Alles läuft erstaunlich glatt. Bis ich Edmund Stoiber erblicke. Von einem Plakat am Eingang der Gepäckhalle grinst mich der Landesvater an, den linken Mundwinkel hat er angestrengt nach oben gezogen, der rechte weist nach unten. «Willkommen in Bayern» steht unter der Grimasse. Eine kostengünstige, aber effektive Abschreckungsmaßnahme.
    Am Ausgang der Gepäckhalle warten die üblichen Familien, Geschäftsmänner und sonstigen Abholer. Etwas abseits steht sogar ein echter Bayer in voller Tracht. Er sieht aus wie einem Bilderbuch entsprungen: original mit Vollbart, Wanderschuhen, Kniestrümpfen, Lederhose und einer offenen grünen Lodenjacke, die den stattlichen Bauch eher betont als verhüllt. Sehr drollig. Der Bilderbuchbayer drückt sich an den Papierkörben herum. Ein Pfandflaschensammler? Seine Haltung ist leicht gebeugt, hin und wieder greift er mit der hohlen Hand an die Lippen. Ziemlich auffälliges Verhalten, erstaunlich, dass die Polizei ihn noch nicht aufgegriffen hat. Jetzt sehe ich, dass er in der Hand eine Zigarette versteckt hält. So ein Fuchs! Er nimmt einen tiefen Zug, drückt die Kippe aus und hält ein Schild hoch. Darauf steht ein Name. Mein Name.
    O nein. Instinktiv drehe ich mich weg. Bitte nicht so einer! Aber was hilft’s? Langsam wende ich mich wieder um, suchend, wie bestellt und nicht abgeholt. Ich setze ein Hallo-ich-bin-derjenige-welcher-Lächeln auf, winke und gehe ihm entgegen. Mein fester Schritt soll Vorfreude suggerieren.
    Selbst als ich direkt vor ihm stehe, verzieht der Bayer keine Miene, sondern mustert mich nur schweigend von oben bis unten. «Guten Tag», sage ich und stelle mich vor.
    «Grüß Gott», antwortet er.
    «Mach ich», witzele ich. «Wenn ich ihn sehe.»
    «Da kannst Gott glei ausrichtn», entgegnet der Bayer, «der Preiß hod die Pünktlichkeit fei ned erfundn.»
    Das ist also Bairisch: Ein anderes Land, eine andere Sprache. Vielleicht sollte ich’s lieber mit Englisch versuchen? Weil ich etwas zu lange mit offenem Mund dastehe, ergreift der Bayer die Initiative und streckt mir die Hand entgegen. Ich schüttele sie. «Knollhubert», brummelt er. Ich entschuldige mich für die Verspätung. «Passt scho», meint er.
    Mit meinem vollbeladenen Gepäckwagen folge ich Knollhubert auf den Parkplatz. Wir wechseln kein Wort. Ich traue mich nicht, ein Gespräch zu beginnen, nachher verstehe ich bloß wieder nichts. Er steuert auf einen roten Pick-up zu, einen Geländewagen mit Ladefläche. Am Heck kleben zwei Fahnensticker, ein weiß-blauer und ein roter mit Sternenkreuz: die amerikanische Südstaatenflagge, das Symbol der Sklavenhalter. Knoll deutet mit einem Finger auf die Ladefläche und murmelt: «Dei Graffe haust oben auffi.» Ich stutze, entnehme aber seiner Handbewegung, was er von mir erwartet. Also Graffe auffi.
    Nachdem ich die Koffer auf der Ladefläche abgelegt habe, steige ich ein.
     
    Der Vater meiner Gastfamilie in den USA besaß auch so einen Pick-up. Einmal fuhren wir alle gemeinsam in den Bush-Gardens-Freizeitpark, um uns mittels
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