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Muss ich denn schon wieder verreisen?

Muss ich denn schon wieder verreisen?

Titel: Muss ich denn schon wieder verreisen?
Autoren: Evelyn Sanders
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war nicht etwa ein in Ehren ergrauter Inselbewohner, der sein Gnadenbrot bekam, sondern ein Fisch. Sogar ein recht großer. Von Ichthyologen wird er als Lactophrys quadricornis bezeichnet, Taucher nennen ihn Kofferfisch, bei Steffi heißt er Samsonite. Der Name Ferdinand stammt von mir; mich erinnerte sein Gesichtsausdruck immer an einen Silvesterkarpfen. Ferdinand liebte ungetoastetes Weißbrot und holte sich jeden Morgen seine Ration ab. Er fraß sogar aus der Hand.
    Diesmal war er allerdings nicht zu sehen. Statt dessen sah ich einen schwitzenden Reinhard, der mit Hilfe eines Einheimischen ein kleines Segelboot auftakelte. »Wie isset? Kommste mit?«
    »Wohin?«
    »Einfach so ’n bißchen rumschippern. Wir können ja uff die Italiener-Insel zuhalten, vielleicht ham die heute Eis.«
    Nun habe ich zwar nicht die geringste Ahnung vom Segeln, tu’ es aber trotzdem gerne, solange ich nicht mit dem Hintern über der Bordkante hängen und irgendwelche Strippen festhalten muß. Doch als Galionsfigur mache ich mich recht gut, ganz vorne am Bug außer Reichweite des Großbaums. Das ist die Stange, die man immer an den Kopf kriegt, wenn man nicht aufpaßt.
    »Kannst du überhaupt segeln?« Reinhard war auf vielen Gebieten bewandert, daß auch die christliche Seefahrt dazugehörte, hatte ich nicht gewußt.
    »Du stellst vielleicht dußlige Fragen«, brummte er denn auch. »Gloobste, die würden mir det Boot jeben, wenn ick denen nich meinen Schein jezeigt hätte? Ick hab’ ja selber ’n Kahn uff’m Wannsee liejen, der is sogar ’n bißchen jrößer.«
    »Der Wannsee?«
    »Quatsch, meine LADY natürlich. Aba wenn de bange bist, denn bleibste eben da.«
    Angst hatte ich nicht, wovor denn auch? Allenfalls vor einer Flaute, denn die leichte Brise kräuselte kaum die Wellen. »Bei dem bißchen Wind kommst du doch gar nicht erst bis zum Außenriff.«
    »Draußen weht’s stärker.« Ein letztes Mal überprüfte er die Takelage, dann nickte er befriedigt. »Klar zum Ablegen. Also, wat is jetzt? Willste oder willste nich?«
    Eigentlich wollte ich ganz gern, doch… »Ich muß noch Koffer packen.«
    »Denkste etwa, ick will mich bei den Spaghettibrüdern häuslich einrichten? Bis zum Mittagessen sind wir zurück.«
    Also gut, warum auch nicht? »Ich ziehe mich nur schnell um und sage Stefanie Bescheid.«
    »Is in Ordnung. Ick muß ooch noch mal fort. Wat zu trinken holen. Salzwasser macht immer so durstig.« Im Weggehen drehte er sich noch einmal um. »Wenn Steffi Lust hat, kann se ja mitkommen. Platz is da.«
    Steffi wollte aber nicht. »Bring mir eine Portion Eis mit!« rief sie mir aus dem Liegestuhl hinterher.
    »Haha!«
    Zum Segeln trägt man weiße Hosen und ein ebensolches Hemd. Beides hatte ich, aber beides war dreckig. Na wennschon, wir würden ja nicht in St. Tropez an Land gehen. Auf den dekorativ über die Schulter gelegten weißen Pullover kann man in diesen Breitengraden ohnedies verzichten. Also Badeanzug an, T-Shirt drüber, der Griff zu Handtuch, Sonnenöl und -brille, dann war ich gerüstet.
    Reinhard lud gerade Sprudelflaschen ins Boot. Eine viertelvolle Whiskypulle war auch dabei. »Det is doch viel sinnvoller als die umjekehrte Methode, nämlich Boote in Flaschen zu stecken! So, und nu setz dich mal vorne hin, wo du am wenigsten im Weg bist.«
    Ich tat wie befohlen, der Einheimische löste das Halteseil, schob das Boot an, und dann segelten wir im Zeitlupentempo los.
    »Schwimmen geht schneller«, unkte ich, als wir nach fünf Minuten noch immer in der Lagune herumdümpelten, bekam jedoch nur ein unwilliges Brummen zur Antwort.
    Endlich waren wir aus dieser Badewanne heraus, der Wind wurde stärker, das Boot nahm Fahrt auf, und ich legte mich zufrieden auf die Planken. Ab morgen würde es keine Sonne mehr für mich geben, drei Grad minus herrsche in Deutschland, hatten die Neuankömmlinge gesagt, und jeden Tag Schneeregen.
    »Weißt du überhaupt, wo die Italiener-Insel liegt?« erkundigte ich mich vorsichtig, nachdem wir schon das zweite Eiland passiert und Reinhard keine Anstalten gemacht hatte, seinen Kurs zu ändern.
    »Die nächste müßte es sein.«
    Doch dann ging alles ganz schnell. Der schmalen Wolkenbank dicht über dem Horizont hatte ich so lange keine Beachtung geschenkt, bis die sich plötzlich auftürmte und mit beängstigender Geschwindigkeit direkt auf uns zukam. »Die sieht aber gar nicht gut aus«, wagte ich zu sagen, wohl wissend, daß ambitionierte Segler zu Sturmwolken ein anderes
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