Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Muss ich denn schon wieder verreisen?

Muss ich denn schon wieder verreisen?

Titel: Muss ich denn schon wieder verreisen?
Autoren: Evelyn Sanders
Vom Netzwerk:
Normalerweise. In diesem Jahr hätte er ruhig ein paar Tage mehr haben können. Die Koffer standen gepackt neben der Tür, Trinkgelder waren verteilt, die beiden letzten Ansichtskarten hatten wir auch noch geschrieben. Jetzt saßen wir auf der Mole, ich auf dem Klostuhl, Steffi zu meinen Füßen, schauten übers Meer und hörten dem leisen Glucksen der Wellen zu.
    »Diese Abende werde ich am meisten vermissen«, sagte sie wehmütig, »die warme Luft, das Meer, den Wind in den Palmen, dieses Weit-weg-von-allem-Sein… Wenn ich mir vorstelle, daß ich übermorgen wieder das Eis von der Windschutzscheibe kratzen muß …«
    »Apropos Auto«, unterbrach ich sie, »wer holt uns eigentlich ab?«
    »Papi wahrscheinlich. Oder die Zwillinge. Irgendwer wird schon da sein. Ich mag gar nicht daran denken.«
    Dann fing es wieder an zu tröpfeln, und sofort schlug ihre Abschiedsstimmung um. »Scheißwetter! Wird Zeit, daß wir wegkommen«, keuchte sie, während wir unter das schützende Dach rannten. »Wer weiß, ob das nicht schon der Monsunregen ist. Conny hat zwar nein gesagt, aber der muß ja Berufsoptimist sein.«
    Im Laufe der Nacht wurde ich mehrmals wach, weil es immer wieder in den Blecheimer plätscherte, und zu unserer Henkersmahlzeit liefen wir unter einem Regenschirm, den eine mitleidige Seele auf der Terrasse deponiert hatte. Wahrscheinlich der Kellner, der sein Trinkgeld noch einmal in Form von Bierdosen bekommen hatte.
    Reinhard hatte extra seinen Wecker gestellt, um mit uns zusammen zu frühstücken. »Det wird da draußen janz schön schaukeln, aba seefest biste ja, det haste jestern bewiesen.«
    »Da bin ich mir gar nicht so sicher.« Gestern hatte ich einfach zuwenig Zeit und zuviel Angst gehabt, um auf meinen rebellierenden Magen zu achten, doch heute würde ich weder Wasser schöpfen noch diesen Holzknüppel umklammern müssen, ich würde also ungehindert über der Reling hängen können.
    »Und denk dran, immer in Lee kotzen!« erinnerte er mich, während wir zum Dhoni gingen.
    »Wo ist Lee?«
    »Ick seh schon, dir fehlen die simpelsten Jrundbejriffe.«
    Er reichte uns das Handgepäck aufs Boot und trat zurück, als der Motor angeworfen wurde. »Wenn du mal wieder in Berlin bist, rufste an, klar? Denn jehn wir uff ’n Wannsee. Mit ’m Tauchen hat’s ja nu nich jeklappt, aba vielleicht kann ick dir det Segeln beibringen. Also denn, tschüs ihr beeden, und juten Flug.«
    Das Dhoni war schon etliche Meter vom Steg entfernt, als Steffi wissen wollte, ob ich denn überhaupt Reinhards Adresse habe. Doch, die hatte er mir gegeben, nur lag sie jetzt im Bungalow neben dem Zimmerschlüssel. Und den hatte ich vergessen zur Rezeption zu bringen.
    »Wo… wohnst… du???« brüllte Steffi aus Leibeskräften.
    »Berlin …fonbuch«, kam es abgerissen zurück. »Fink wie Meise.«
    Ein letztes Winken, dann machten wir, daß wir unters Dach kamen. Es regnete schon wieder.
    Es regnete während der ganzen Überfahrt, es regnete, als wir anlegten, und als die ersten Neuankömmlinge aus dem Terminal strömten, regnete es immer noch.
    »Da fliegen wir neun Stunden in dieser Ölsardinenbüchse nach Süden, und nun das – Regen!« schimpfte ein bleichgesichtiger Jüngling, der in Erwartung des Reisekatalogwetters schon Shorts und Badelatschen trug. »Da hätte ich auch zu Hause bleiben können.« Er musterte Steffi von oben bis unten. »Wovon bist du denn so braun geworden? Oder hast du hier überwintert?«
    Sie verbreitete Zweckoptimismus. »Bis du auf deiner Insel bist, ist der Himmel wieder klar. Das geht hier ganz schnell. Gestern hatten wir strahlenden Sonnenschein.«
    Wie lange, hatte sie allerdings nicht gesagt.
    Ich werde nie begreifen, weshalb man bei Charterflügen Stunden vor dem Start einchecken muß, um dann herumzusitzen und zu warten, bis sie einen in die Maschine lassen. Auf großen Flughäfen hat das noch einen gewissen Reiz, weil man etwas sieht, und seien es auch nur die sündhaft teuren Schaufensterauslagen. Die dazugehörigen Geschäfte sind sowieso meistens leer. Oder man kann in einem der zahlreichen Restaurants für neun Mark ein Kännchen Kaffee trinken, tassenweise gibt es ihn nicht. Man kann’s aber auch bleiben lassen und sich statt dessen in einen dieser Stahlrohrsessel setzen und beobachten, wer da so vorbeiflaniert.
    In Male kann man das alles nicht, weil man gar nicht erst dorthin kommt. Man wird nämlich nach Hulule gebracht. Das Schönste an dieser Insel ist ihr Name. Außer dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher