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Muss ich denn schon wieder verreisen?

Muss ich denn schon wieder verreisen?

Titel: Muss ich denn schon wieder verreisen?
Autoren: Evelyn Sanders
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hinter einer schmalen Wolkenbank verschwunden.
    Besagter Klostuhl gehörte zu den Lieblingsmotiven der Taiwaner. Da sie nur in Größenordnungen von fünf Personen an aufwärts in Erscheinung traten, stürmten sie, sobald sie den Hocker entdeckt hatten, geschlossen die Mole entlang. Der erste nahm Platz, der zweite knipste, danach wurden die Positionen getauscht, klick und noch mal klick, dann waren die nächsten beiden dran. Es muß Hunderte Fotos geben aus immer demselben Blickwinkel: ein Hocker, darauf ein grinsendes Geschöpf und dahinter nichts als eine unbewegte Wasserfläche.
    Am zweiten Tag, wenn sie bis zum eingezäunten Küchenkräutergarten wirklich alles fotografiert hatten, was nicht wie eine Palme aussah, stiegen sie ins Meer. Aber nicht etwa vorne am Riff, nein, hinten in der kleinen Bucht, wo das Wasser nur Planschbeckentiefe erreichte. Da standen sie dann, angetan mit Shorts und T-Shirt, um den Hals die aufgeblasene Schwimmweste, und knipsten, was das Zeug hielt. Die abgestorbene Koralle und die graue Seegurke, die sich von dem hellen Sand kaum abhebt, die Minifischlein, sofern sich mal welche in das flache Wasser verirrt hatten, und natürlich die Insel, diesmal vom Meer aus gesehen.
    »Die Schwimmwesten müssen ein Geschenk der Fluggesellschaft sein«, vermutete Steffi. »Oder ist dir noch nicht aufgefallen, daß alle das gleiche Modell tragen?«
    Darauf hatte ich noch nicht geachtet. Ich fragte mich nur immer wieder, weshalb unsere fernöstlichen Besucher nie ohne diese grünen Westen ins knietiefe Wasser stiegen. Die ganz besonders Vorsichtigen hatten nicht mal auf den Ballon verzichtet, der im Notfall den Rettern signalisiert, wo sie die Schiffbrüchigen aufzusammeln haben.
    »Ich kann mir nicht helfen, aber die haben doch alle einen an der Waffel!« kommentierte Steffi das absonderliche Treiben. Manchmal waren sie etwas lästig, wenn sie wieder mal in Heuschreckenformation kichernd über die Insel zogen, aber ansonsten hielten wir sie für harmlos.
    Das änderte sich erst, als unsere englischen Nachbarn zum erstenmal das Wort an uns richteten. Sie hatten gesehen, wie ein Taiwaner eine noch lebende Koralle aus dem Meer geholt und zum Trocknen auf seine Terrasse gelegt hatte. Das sei doch streng verboten, und was sie denn jetzt machen sollten?
    Ich empfahl ihnen, zunächst einmal mit dem Übeltäter zu reden, und wenn das nichts nütze, könne man mit dem Manager drohen. Auf dem rosa Zettel mit den Betriebsanleitungen war – gleich unter dem Nacktbadeverbot – zu lesen gewesen, daß das Mitnehmen von Muscheln, Korallen und so weiter aus dem Meer mit hohen Geldstrafen belegt werde.
    Deshalb lautet auch das erste Gebot für Taucher: Du darfst alles ansehen, vieles anfassen, aber nichts nach oben bringen.
    Am selben Nachmittag kam Reinhard mit allen Anzeichen der Empörung von seiner Schnorchelstunde zurück. »Ick hab’ jedacht, det darf doch nicht wahr sein, wie ick det Schlitzauge da am Haifischbecken sitzen seh! Hält der Kerl doch ’ne Angel rein! Wenn Conny nicht dazwischenjejangen wäre, ick jloobe, ick hätte dem Knilch eene jescheuert.«
    Bei dem ›Haifischbecken‹ handelte es sich um ein gar nicht mal so kleines, vom Meer abgetrenntes Areal, in dem neben zwei jungen Ammenhaien noch einiges andere Getier herumschwamm, unter anderem eine Wasserschildkröte und ein paar Exemplare besonders schöner Tropenfische. Jeder, der mal da reingeschaut hatte – vor allem die Nichttaucher –, konnte zu Hause mit gutem Gewissen erzählen, daß er nicht nur Haie und Stachelrochen, sondern sogar eine Muräne gesehen habe.
    Abends in der Bar erzählte der Surflehrer, er habe auf dem Steg eine große Muschel gefunden, die dort jemand abgelegt habe. »Verdächtigen will ich niemanden, aber achtet mal ein bißchen auf unsere Überflieger. Die wenigsten Asiaten haben Ehrfurcht vor der Natur.«
    Und wie wir auf sie achteten! Einmal sah ich Stefanie einen Taiwaner zusammenstauchen, bevor sie ihn wieder ins Wasser scheuchte. Er zog auch brav ab.
    »Den habe ich beobachtet, wie er eine Seegurke rausgeholt hat. Jetzt soll er sie zurückbringen. Die Dinger liegen zwar haufenweise hier rum, aber morgen nimmt er eine Koralle und übermorgen einen Seestern. Guck mal, da hinten latscht er immer noch.« Sie deutete auf die grüne Schwimmweste, die in dreißig Meter Entfernung durchs Wasser stakste. »So weit hätte er wirklich nicht zu gehen brauchen.«
    »Langsam kann ick die Leute von Greenpeace vastehn«, sagte
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