Muss ich denn schon wieder verreisen?
schattenspendende Palme, zu faul, bis zum Restaurant zu laufen, und tranken statt Kaffee Guavensaft.
»Wat ick dich schon immer mal fragen wollte«, wandte sich Reinhard an Stefanie, »wieso biste eijentlich so janz alleene mit deiner Mutter hier? Meine Tochter is det letztemal mit uns verreist, als sie siebzehn war. Haste denn keenen Freund?«
Schweigend malte Steffi mit den Füßen Kringel in den Sand.
»Ick will ja nich indiskret sein, aber so ’n patentet Mädel wie du looft doch nich solo durch’s Leben.«
»Tut sie ja auch nicht«, sagte ich. »Zur Zeit versucht sie nur, nicht zu heiraten.«
Reinhard nickte verstehend. »Recht hat se! Überleg dir det jründlich, Meechen, hinterher isset meistens zu spät. Ihr habt det heutzutage doch viel besser als wir, Ehe uff Probe und so weiter. Wenn wir damals mehr wollten als bloß Händchen halten, denn mußten wir jleich uff’s Standesamt. Und die Pille hat’s ooch noch nich jejeben.«
Allem Anschein nach war Stefanie noch immer zu keinem Entschluß gekommen, was Horst Hermann betraf. Nicht einmal hatte sie dieses Thema angeschnitten, obwohl es doch angeblich der einzige Grund gewesen war, weshalb sie herkommen wollte. Ob ich mal den Anfang machen sollte? Wäre vielleicht ganz gut, nur nicht gerade jetzt. Außerdem fing der Koch an, mit einem Holzknüppel Dellen in den leeren Nudeltopf zu hämmern, offenbar das Zeichen zum Sammeln. Wir mußten ja noch zur Italiener-Insel.
Schon vor Beginn der Fahrt waren uns kulinarische Köstlichkeiten in Aussicht gestellt worden, als da wären Cappuccino, Espresso, verschiedene Kuchensorten und vor allem Eis – Dinge also, die es auf unserer Insel nicht gab, von denen wir aber schwärmten, wenn mal wieder die niederen Instinkte durchbrachen. Während der letzten Tage war das häufiger der Fall gewesen.
Italiener-Insel heißt sie, weil sie nur in italienischen Reisekatalogen geführt und folglich auch nur von Italienern besucht wird. Ausflügler werden zwar geduldet, weil sie wieder verschwinden, sind jedoch nicht sonderlich beliebt. Das bekamen wir auch gleich zu spüren, als wir mit Hallo den Coffeeshop stürmten.
Der Bilderbuch-Italiener hinter dem Tresen hob bedauernd die Arme. Leider sei die Espresso-Maschine defekt, und leider leider sei auch kein Gelati mehr da. Erst morgen komme mit dem Versorgungsschiff frisches Eispulver. »Mi dispiace molto!«
Wenigstens Kuchen gab es noch. Was für welchen er denn habe, wollte ich von dem Barmenschen wissen, mühsam meine italienischen Sprachkenntnisse zusammensuchend.
Es seien gemischte, bekam ich zur Antwort, manche seien von heute, manche von gestern und manche von vorgestern. Woraufhin wir lieber verzichteten und ich zwei Packungen Kekse kaufte, die so entsetzlich krümelten, daß sie nur noch als Fischfutter taugten. Sie mußten aus dem vorigen Jahrzehnt stammen.
Rechtzeitig zum Abendessen kamen wir auf unsere Insel zurück. Es gab Fisch mit Reis und Krautsalat. Diesmal war er gelb, weil mit Ananas angereichert. Egal, wie sehr man insgeheim über das Essen meckert, wenn der Kellner fragt, wie es geschmeckt habe, sagt man doch immer wieder: »Danke, gut.«
17
Schon bald nach unserer Ankunft waren mir die vielen mandeläugigen Gäste aufgefallen, die immer rudelweise über die Insel schwärmten, alles fotografierten, was ihnen vor die Linse kam, und nach wenigen Tagen wieder verschwanden. Ich hatte sie für Japaner gehalten, es waren jedoch Taiwaner.
Nun ist es für uns Europäer ohnehin schwer, die asiatischen Rassen auseinanderzuhalten. Wenn ich die Zwillinge während ihres Studiums in Heidelberg besuchte, schleppten sie mich häufig in die Fußgängerzone. »Komm, wir gehen mal die Hauptstraße rauf und runter, Schaufenster und Japaner gucken.« Ab und zu waren auch Chinesen darunter gewesen und mit Sicherheit Besucher aus Taiwan, Sri Lanka oder anderen fernöstlichen Ländern. Ich hab’ sie nie unterscheiden können.
Steffi war es, die mich auf das seltsame Gebaren der DreiTage-Gäste aufmerksam machte. »Da muß wieder ein neuer Schub gekommen sein. Schau mal zum Klostuhl rüber!«
Der weiße Plastikhocker am Ende der kleinen Mole hieß so, weil jeder, der darauf Platz nahm, sich automatisch nach vorn beugte, um die zwischen den Steinen herumspazierenden Krabben zu beobachten. Ab sechs Uhr abends war das Reinhards Stammplatz. Er wollte mal einen richtig kitschigschönen Sonnenuntergang filmen. Gelungen ist es ihm nie, denn der Planet war immer schon vorher
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