Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mueslimaedchen - mein Trauma vom gesunden Leben

Mueslimaedchen - mein Trauma vom gesunden Leben

Titel: Mueslimaedchen - mein Trauma vom gesunden Leben
Autoren: Franziska Seyboldt
Vom Netzwerk:
kannst, oder?«, sagte er.
    Nein. Eigentlich war ich das überhaupt nicht. Wer ist denn bitteschön stolz darauf, dass er Reis nur im Kochbeutel zubereiten kann und keine Ahnung hat, wie man aus einem vollen Kühlschrank heraus ein Standardessen improvisiert? Eben. Trotzdem wollte ich nicht diskriminiert werden!
    Der Fernsehkoch Tim Mälzer hat mal gesagt, wenn er im Supermarkt mit einer Pizza an der Kasse stehe, sei das so, als wenn andere mit einem Schmuddelheft am Bahnhofskiosk erwischt werden. Ich war nicht mal Fernsehkoch, aber trotzdem in der sozialen Schmuddelecke meines Freundeskreises. Das konnte doch nicht wahr sein, sie waren doch sonst immer so offen und linksliberal.
    Es war höchste Zeit für eine Intervention. Ich bestellte Martha und Emil zu mir.
    »Jetzt mal Klartext«, sagte ich. »Was soll dieser Kochzwang?«
    Sie wanden sich. Natürlich. Auch sie hatten schließlich einen Ruf zu verteidigen.
    »Warum Zwang? Das macht doch Spaß!«, sagte Emil, und Martha nickte eifrig.
    »Und es ist sauspießig«, sagte ich.
    »Quatsch!«, sagte Martha. »Es ist erwachsen. Wir setzen jetzt halt andere Prioritäten.«
    »Okay. Damit kann ich leben. Aber mit dem Stasi-Getue nicht!«, rief ich.
    Sie machten große Augen. Was, sie? Sie mischten sich doch nicht in mein Essverhalten ein.
    »Und Stasi«, sagte Emil, »was soll das überhaupt!«
    Ha, Essverhalten, was sollte das überhaupt. Allein, dass sie das Wort benutzten, sagte doch schon alles. Ich verhielt mich nicht zu irgendeinem Essen, ich aß es einfach.
    »Und wie ihr euch einmischt!«, sagte ich. »Bei allem übrigens. Nicht mal in Ruhe rauchen darf man mehr.«
    »Ich hab nur keine Lust drauf, dass du dich später bei mir ausheulst, wenn du Falten bekommst«, sagte Emil.
    »Keine Sorge, ich lass mir rechtzeitig Botox spritzen.«
    »Wie mich das aufregt!«, sagte Emil. »Total ungesund leben, aber mit den hässlichen Folgen nicht klarkommen, was ist das denn für eine bescheuerte Doppelmoral?«
    »Ach, aber Menschen, die gesund leben und trotzdem irgendwann Falten bekommen und zum Schönheitschirurgen gehen, die verurteilst du dann nicht?«
    »Doch, natürlich«, sagte Emil. »Ich lehne Botox grundsätzlich ab.«
    »Dann komm mir nicht mit so einem Scheißargument«, rief ich.
    »Doch, es geht ums Prinzip!«, rief Emil.
    Puh, dieses ganze pseudoaufgeklärte Gerede. Eigentlich steckte doch etwas ganz anderes hinter der angeblichen Sorge um meine Gesundheit: der blanke Neid! Weil ich fabelhaft aussah, obwohl ich mich ungesund ernährte, wenig schlief, zu viel Wein trank und rauchte. Na ja, abgesehen von den paar Falten. Er hingegen wusste ja nicht mal, ob sein gesunder Lifestyle irgendwas bringen würde. Vielleicht würde er trotzdem früher sterben als ich. Und auf dem Sterbebett jede Zigarette bereuen, die er nicht geraucht hatte und jedes Glas Wein, das er sich verboten hatte zu trinken, weil er am nächsten Morgen früh rausmusste.
    »Ihr verurteilt also keine Menschen, die nicht kochen?«, nahm ich den Faden wieder auf.
    »Natürlich nicht. Jeder, wie er will«, sagte Martha.
    »Aha. Angenommen, ihr habt ein Date, und die Person lädt euch zu sich ein, und es gibt Tiefkühlpizza, was dann?«
    »Das macht ja wohl niemand«, sagte Emil.
    »Ehm, doch.«
    Schweigen.
    »Dann gibt es eher kein zweites Date«, sagte Martha.
    »Ernsthaft?«
    »Also hör zu«, sagte Emil.
    Er setzte sein Ich-erklär-dir-jetzt-mal-die-Welt-Gesicht auf, das ihm übrigens hervorragend steht. Aber das gönne ich ihm, er ist ja auch älter.
    »Erstens geht es darum, dass man sich für jemanden Mühe gibt. Man zieht ja beim ersten Date auch nicht seine ausgeleierte Jogginghose an. Und zweitens will man den anderen beeindrucken. Ganz alte Nummer, da werden menschliche Urinstinkte getriggert, Nestbau und solche Sachen.«
    Gut, das mit dem Mühe geben konnte ich nachvollziehen. Aber Nestbau? Wir waren doch aufgeklärt und feministisch undsoweiter und hatten so was nicht mehr nötig.
    »Vielleicht. Trotzdem: Willst du etwa eine Tiefkühlpizza sein?«, sagte Emil.
    »Das ist jetzt metaphorisch gemeint, schätze ich.«
    »Das sowieso, aber der Typ wird dich auch so nennen, wenn es mal aus ist.«
    Er verstellte seine Stimme und sagte: »Die Tiefkühlpizza und ich haben uns getrennt.«
    Dann, wieder normal: »So was bleibt einem im Gedächtnis. Für immer.«
    Hilfe! Ich wollte keine Tiefkühlpizza sein. Lieber Kaviar oder ein Kobe-Steak. Was Teures, Hochwertiges.
    »Nehmen wir mal rein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher