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Mueslimaedchen - mein Trauma vom gesunden Leben

Mueslimaedchen - mein Trauma vom gesunden Leben

Titel: Mueslimaedchen - mein Trauma vom gesunden Leben
Autoren: Franziska Seyboldt
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eine dieser modernen Dachgeschosswohnungen. Puristisch. Die Einrichtung ist auf das Wesentliche reduziert: Senf, Ketchup und Prosecco. Denn wo nichts ist, kann auch nichts vergammeln.
    »Hm«, machte Emil. »Wann warst du eigentlich das letzte Mal einkaufen?«
    »Gestern.«
    »Ach ja? Und was genau hast du gekauft?«
    »Eine Hose.«
    Emil warf mir einen strafenden Blick zu. Das war offenbar nicht seine Art von Humor. Was ich eigentlich so den ganzen Tag essen würde, wollte er wissen.
    »Och, alles Mögliche«, sagte ich. »Oft hole ich mir Asia-Nudeln, Pizza oder belegte Ciabatta. Manchmal mache ich auch Nudeln mit Ketchup und Joghurt.«
    Emil war fassungslos.
    »Nudeln mit Ketchup und Joghurt? Igitt!«
    »Gar nicht igitt. Außerdem ist Joghurt gesund, und Ketchup besteht aus Tomaten.«
    Emil guckte mich schief von der Seite an.
    »Ketchup? Ich bin mir nicht sicher, ob da überhaupt Tomaten drin sind.«
    »Fürs Protokoll: Ketchup ist Gemüse.«
    »Na sicher«, rief Emil. »Und Kaffee auch, weil die Bohnen auf Feldern wachsen. Also echt, wann fängst du endlich an, wie eine Erwachsene zu essen?«
    Mittlerweile war ich einigermaßen beleidigt.
    »Ich esse meine Spaghetti, ohne sie vorher klein zu schneiden. Wenn das nicht erwachsen ist, weiß ich auch nicht.«
    »Du bist albern«, sagte Emil.
    »Du meinst: kindisch?«
    »Ach, vergiss es.«
    Damit war die Diskussion beendet. Fürs Erste.
    Als aus dem einen Kaffee zwei geworden waren, dann ein Glas Wein und schließlich Hunger, sagte ich zu Emil: »Ich mach uns schnell Nudeln, ja?«
    »Aber nicht mit Ketchup!«
    »Nei-hein.«
    Es war ja nicht so, dass ich gar nicht kochen konnte – ich beherrschte mindestens drei Gerichte und eines davon sogar auswendig! Ich stellte einen Topf mit Wasser auf den Herd und daneben ein Glas Pesto.
    Emil schielte zum Pestoglas.
    »Also ich mach mein Pesto ja immer selbst«, sagte er von seinem Platz aus, während ich die Nudeln in das kochende Wasser schüttete.
    »Mit Basilikum, getrockneten Tomaten, Olivenöl und Pinienkernen. Das schmeckt total lecker.«
    »Ja, das glaub ich.«
    Glaubte ich natürlich nicht. Bei meinem Lieblingspesto waren schließlich die Geschmacksexperten von Barilla am Werk, mit höchster Sorgfalt und erlesenen, natürlichen Zutaten. Er dachte ja wohl nicht ernsthaft, dass er das besser konnte als die, immerhin war es ihr Beruf. Und außerdem: Wer hatte überhaupt Zeit dafür, stundenlang in der Küche zu stehen, um etwas herzustellen, das es in identischer Form bereits fertig zu kaufen gibt?
    »Im Laden um die Ecke gibt es übrigens ganz tolle Einmachgläser!«, sagte Emil. Er ließ einfach nicht locker.
    »Ich brauch aber keine Einmachgläser. Weil ich gar nichts selber machen muss. Guck, da ist alles schon drin.«
    Ich hielt Emil das Glas hin. Mittlerweile stand er hinter mir, vermutlich, weil er es auf seinem Stuhl nicht mehr ausgehalten hatte. Ich machte Anstalten, das Pesto in die Pfanne zu kippen.
    »Halt!«, schrie Emil. »Willst du das nicht noch verfeinern?«
    »Mit was denn?«
    »Na, Schalotten zum Beispiel.«
    »…«
    »Wie, du hast keine Schalotten da?«
    »Entschuldigung.«
    »Lass mich mal.«
    Emil scheuchte mich in Richtung Tisch und übernahm das Kommando. Er band sich eine Schürze um, wirbelte durch die Küche, fand eine einsame, verschrumpelte Zwiebel und eine Karotte, zerhackte beide in einem irren Tempo, schmiss sie in die Pfanne mit dem Olivenöl, es roch fantastisch, dann entdeckte er irgendwo im Kühlschrank eine Tube Tomatenmark (wo nur?!), vermischte alles mit dem Pesto in der Pfanne, auch die Nudeln, und schließlich, voilà, servierte er ein Gericht, das aussah wie aus einem Sternerestaurant. Er hatte sogar eine Gabel als Schablone benutzt und ein Tütchen Parmesan drüber gestreut, das noch aus einer Mirácoli-Packung übrig gewesen war.
    Während wir dinierten – anders kann man es nicht nennen – versuchte ich, mein Gesicht zu wahren.
    »Na, wie schmeckt es?«, fragte Emil.
    »Och ja, ganz gut. Eigentlich so wie immer. Du hättest dir also gar nicht so viel Mühe geben müssen.«
    Emil kniff die Augen zusammen.
    »Komm, gib’s zu. Es ist besser.«
    »Es ist gut. Solide.«
    Ach, es war furchtbar. Da saß ich nun vor einem Festmahl und konnte es gar nicht richtig genießen. Und alles nur, weil ich mir auf die Fahnen geschrieben hatte, dagegen zu sein. Frustriert stocherte ich in meinem Essen. Emil stocherte auch.
    »Vermutlich bist du auch noch stolz drauf, dass du nicht kochen
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