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Mueller und die Tote in der Limmat

Mueller und die Tote in der Limmat

Titel: Mueller und die Tote in der Limmat
Autoren: Raphael Zehnder
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Anrufer zuhörte, bestellte er per Handzeichen eine Stange. Die Kellnerin mit dem violetten Auge tat geschäftig.
    «Verstehe. Polizei? Wieso Polizei? … Wie du willst. Aber mich hältst du da raus … nein, ich komme nicht vorbei. Ich brauche keine Fragen von der Polizei … Wir sehen uns morgen zum Frühstück … Nein, nicht im ‹Rothaus›. Auf keinen Fall. Mir reicht die Langstrasse einmal in fünf Jahren … das ‹Felix› wär mir lieber. Und: Halt dich da raus, so weit du kannst. Es gibt Wichtigeres.»
    Er legte auf. Die Kellnerin hatte nicht gewartet, bis Palm sein Gespräch beendet hatte. Sie hatte das Bier so auf den Tisch geknallt, dass es leicht überschwappte und Flecken auf Palms abgelegte Sonnenbrille klebte. Palm griff nach dem Glas, trank einen Schluck, legte eine Zwanziger-Note auf den Tisch und setzte sich die bekleckerte Brille auf. Die Flecken auf dem Brillenglas veränderten den Blick auf das Lokal kaum. Palm verliess den Schuppen.

    Stahl war überrascht, wie flink die Wildkatze ihre Krallen nach ihm ausgefahren hatte. Nur einen Moment lang war er nicht achtsam gewesen, hing dem Gespräch mit Palm nach. «Es gibt Wichtigeres», hatte Palm gesagt. Stahl fragte sich, wie man «Wichtigeres» definierte. Und aus welcher Perspektive Umstände für den einen weniger wichtig, für den anderen hingegen existenziell wurden. Albin war tot, und jetzt, da er in dessen Wohnung den Vatikan und Jahre seiner Prägung roch, schien ihm nichts wichtiger, als dem toten Freund die letzte Ehre zu erweisen und ihm im Nachhinein Zeit zu widmen.
    Er hatte die bewusstlose junge Frau auf dem Teppich vergessen. Seine rechte Wange brannte von den Fingernägeln, die sich dort hineingekrallt hatten. Er wollte ihr nicht das Handgelenk brechen, aber sie würde ihren Griff nur lockern, wenn sie ihrerseits Schmerz spürte. Stahl löste sich aus der Klammer. Die junge Frau schrie auf und hielt sich schmerzverzerrt die rechte Achselhöhle. Dort hatte ihr Stahl mit den Fingerkuppen seiner Linken hineingestossen, wohldosiert. Er packte ihre Handgelenke, drückte sie auf den Teppich und raunte mit dem Tonfall eines Tierbändigers: «Ruhig, ganz ruhig. Ich tue Ihnen nichts. Ich habe Sie hier nur gefunden.»
    Die Frau schien ihm nicht zu glauben. Die Sätze klangen nach Vorabendserie. Sie versuchte nun, ihn mit ihren Knien unten am Rücken zu treffen. Stahl riss sie mit einem Ruck vom Boden, dass sie überraschend auf den Füssen zu stehen kam. Dann wirbelte er sie einmal im Kreis und liess ihre Handgelenke los. Sie landete auf einem abgewetzten Sofa. Er nutzte den Augenblick ihrer Verblüffung, nahm sein Handy und wählte eine Nummer. «Guten Abend. Schicken Sie bitte jemanden in die Engelstrasse 88. In der Wohnung von Albin Studer gab es einen Einbruch.»
    Während er sprach, behielt er die Wildkatze fest im Blick. Sie rührte sich nicht, sondern wartete gespannt, was als Nächstes geschehen würde.
    «Haben Sie wirklich die Polizei angerufen?», fragte sie.
    «Ja. Warum sollte ich nicht?»
    «Wer sind Sie?»
    «Ein Freund von Albin Studer.»
    «Er ist tot.»
    «Ich weiss. Und wer sind Sie?»
    «Cecilia Fetz. Ich arbeite für meine Tante. Sie hat ein Antiquariat. Und Studer hat ihr seine Bibliothek vermacht.»
    «Sie sind aber schnell. Albin ist noch nicht unter der Erde, und Sie räumen ihm schon die Wohnung aus. Dazu am heiligen Sonntag.»
    «Es geht nicht anders. Ich muss nächste Woche mit meiner Diplomarbeit beginnen. Und meine Tante kann die Bücher nicht allein ausräumen. Ausser mir hat sie niemanden.»
    «Wieso waren Sie bewusstlos?»
    «Schlag auf den Hinterkopf.»
    «Haben Sie den Täter gesehen?»
    «Nur gehört, wie er reinkam. Aber ich dachte, es sei Linus. Der wollte beim Tragen helfen.»
    «Wer ist Linus?»
    «Mein Onkel. Hedwigs Bruder.»
    «Und wo ist er jetzt?»
    «Vermutlich besoffen. Er trinkt manchmal gern über den Durst.»
    «Die Polizei wird gleich hier sein. Vielleicht sehen wir uns vorher ein wenig um? Meinen Sie, Sie sehen, wenn hier etwas fehlt?»
    «Ich weiss nicht. So gut kenne ich die Wohnung nicht. Ich bin zwar seit heute Morgen hier, habe mich aber nur um die Bücher gekümmert.»
    «Wenn eines der Bücher fehlen sollte, würde Ihnen das auffallen?»
    «Wieso sollte eines fehlen?»
    «Weil sie wertvoll sind. Das müssten Sie doch wissen. Und Ihre Tante weiss das bestimmt noch besser. Sonst hätte sie es nicht so eilig damit, sie abzuholen.»
    «Haben Sie eine Zigarette?», fragte Cecilia.
    Er
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