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Mueller und die Tote in der Limmat

Mueller und die Tote in der Limmat

Titel: Mueller und die Tote in der Limmat
Autoren: Raphael Zehnder
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ganz tief ins Herz hineintätowiert. Bildlich, weil Polizei, da macht sich Tätowierung eher zweifelhaft.
    Doch wie gesagt: Manchmal stinkt es immer noch in Wiedikon. Aber nicht so dramatisch im Vergleich mit Baltimore. Siehe «Homicide». Oder sonst Dritte Welt. Gestank aus der Kanalisation im Sommer und aus den Köpfen unabhängig von Jahreszeiten. Weil da drin brauen sich manchmal Sachen zusammen, das glaubst du nicht, denn sie sind nicht schön, sondern verbrecherisch. Und darum geht es hier: Wie bekämpfen wir von der Polizei das Verbrechen, und was könnt ihr Bürger tun, dass es nicht mehr vorkommt? Weil wir wollen es nicht. Es ist böse. Polizei und Verbrechen bilden den uralten Kampf zwischen Höhlenbär und Säbelzahntiger, der hier unter veränderten Vorzeichen seine blutige Fortsetzung findet, findet der Müller. Auch sein Freund, schon seit der Polizeischule, der 110 Kilogramm stark beleibte Bucher Manfred, teilt diese Einsicht, weil auch er ist von der Polizei und hocherfahren im Grenzbereich. Und dem Müller sein anderer Freund Franz Schubert würde dem zupflichten, wenn er, aber das hat er nicht, übers diesbezügliche Know-how verfügen würde, weil er in einem ganz anderen Business tätig ist. Mehr so finanziell. Darüber erfahren Sie später.
    Wie gesagt: Es ist Sommer. Nacht. Die von Samstag auf Sonntag. Fast zu heiss, weil keine Abkühlung. Hitze steht. Luft zähflüssig.
    Ort: Jugendkulturzentrum «Dynamo», mitten in der Stadt, zwischen dem in Fliessrichtung rechts steil aufragenden Hang, worauf das «Dynamo» gepfropft ist (kein schöner Bau), und dem Flussufer der Limmat, die Zürich teilweise durchfliesst. Fliesst sanft Richtung Nordwesten. Gurgelt sanft. Aber sanft passiert’s nun nicht.
    Uhrzeit: spätnachts und mondlos. Ein Uhr nullnull plusminus.
    Handlung: Zwei dunkle Gestalten, schemenhaft ihre schwarzen Schatten. Glas? Flaschen? Was halten sie in den Händen?
    Und da: Ein Wortgefecht! Wir verstehen nichts, nur Fetzen an unser Ohr. Männerstimme? Frauenstimme? Was sagen sie? Ruft jemand? Um Hilfe? Oder röhrt am Neumühlequai ein Auspuff? Wirklich, wir verstehen nichts.
    Aber: ein Frauenlachen. Unzweifelhaft. Bricht jetzt ab.
    Da! Plötzlich stösst Person A Person B übers kniehohe Mäuerchen in den Fluss. Schwups.
    Ergebnis: Person B verschwindet im Strudel. Schwarzes Wasser. Dunkles schwarzes Wasser. Undurchsichtig wie Hölle. Gurgelt düster, fliesst unbeteiligt vorbei, kümmert sich nicht, schwemmt nur weg. Gegenüber der Park, er vermutet nichts. Die Bäume wie tot. Würden schwitzen, wenn sie könnten. Die Hitze staut. Wie das Wehr im Fluss gleich vorne dran am Schauplatz.
    Doch: Kein Schrei und rein gar nichts, weil vermutlich böse Überraschung, das alles.
    Und: die andere Person, also Person A, hastig weg.
    Fazit: Ja, so kann es gehen. Manchmal geht es so. Schon brutal, eigentlich. Ja, das ist Zürich. Darum ermittelt der Müller. Ihm stellen sich schlagartig alle Fragen der modernen Kriminalistik: Wer? Wann? Wie? Und zum Abrunden: Motiv?
    Der Müller schläft aber zur selben Stunde in der frühesten Frühe des Sonntags zwischen seinen Laken, genauer: in seinem Bett. Ahnt nichts. Nackt, weil heiss, die Luft. Er weiss nicht, wie ihm geschieht und was. Es träumt ihm etwas, aber nichts Schönes. Trotz Sommer. Es träumt ihm viel wenig Schönes, ja noch schlimmer. Denn sein Trauma ist allgegenwärtig. Schusswaffentrauma. Weil manchmal läuft etwas schief, sogar bei unserer Polizei. Und das ist der Fall von Müller. Er träumt Nacht für Nacht nachts dasselbe, und die psychosoziale Beratung und der Psychiater sind seine Rettungsringe tagsüber, sofern ihm das Herz, der Mut und der Tagesablauf danach stehen, aber jetzt gerade keine Zeit für den psychologischen Rettungsring. Daran klammert er sich, die Fangarme der kühlen Vernunft. Nachts ohne Wirkung, bisher. Aber er ist zäh und ethisch und ein guter Mensch. Ich schwöre es. Das können wir schon verraten, so viel riskiere ich. Aber nützen tut das noch nicht, sein Gutsein, vielleicht später, weil der Müller hat ein Trauma. Das ist griechisch, und das Trauma ist hartnäckig und tönt so:
    FLASHBACK sieht Müller Szene mit Ernstfalleinsatz, ist keine Übung, und Holster und Faustfeuerwaffe ziehen und Müllerstrasse – ja, Ironie des Schicksals – und Müllerstrasse und Dunkelheit und rennende Gestalt und wirre Stimmen und Schritte auf dem Asphalt und Blaulicht und eine Sirene und zwei und drei Sirenen und rennende
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