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Mueller und die Tote in der Limmat

Mueller und die Tote in der Limmat

Titel: Mueller und die Tote in der Limmat
Autoren: Raphael Zehnder
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Verletzung durch stumpfen Gegenstand, keins drübergezogen, keins reingestochen, keins durchgeschossen, einfach nur im Wasser gelegen, Lungen voll. Sagt die Pathologin Dr. Brenda Marquardt. Vielleicht später, ob etwas im Blut oder Magen. Weil die Pathologie nämlich weit hineinschaut.
    Nun zurück zu Sandra: Müller wusste noch gar nicht, dass der gerade herangeschwommene tote Leichnam diesen Namen trägt beziehungsweise getragen hat. Aber bald wird er es wissen, denn auf den lauten Schrei des Schreckens und Entsetzens hin wälzt sich der Müller dem, der neben ihm liegt, zu Hilfe, weil man das so macht in Zürich. Die Stadt ist noch nicht so gross gewuchert, dass man sagen müsste: voll anonym, voll grausam, scheissegal, kümmertmichnicht, und die Leute werden in aller Öffentlichkeit erschossen, aufgeschlitzt oder stranguliert, auf jeden Fall irgendwie getötet. Nein, bei uns in der Stadt Zürich geschieht diese Art von Verbrechen, denn darum handelt es sich in Tat und Wahrheit, immer noch heimlich und im Stillen. Das ist besser, wenn solche Sachen heimlich und im Stillen geschehen. Damit es nicht einreisst. Sonst wird es zu häufig. Das wollen wir aber wirklich nicht bei uns.
    «Das ist doch Sandra», sagt da einer auf dem Holzsonnendeck, der die Leiche sieht und offenbar sofort erkennt. Der Müller hört es, erfasst den Sinn der Worte und legt das Wort im Kopf ab. Das kann er, das ist eine besondere Spezialität der Polizei: Diese mnemotechnische Hochleistungsfähigkeit. Einmal gehört, nie mehr vergessen. Einmal gesehen, schon fast verhaftet. Ein kleiner Widerspruch, sofort entlarvt. Aber wer sagt «Sandra», weiss er nicht, hat keine Augen hinten, aber den Namen hat er deutlich verstanden, kann man ja leicht behalten, weil es ein bekannter Name ist.
    Und das Mobiltelefon raus und sofort 117 wählen und Polizei und Sirene, plötzlich wimmelt es. Das ganze Dispositiv wird aufgezogen: Spurensicherung, Fotos, Ausmessen, Abtransport, Absperren, Personalien aufnehmen, Befragungen. Hier kommt keiner einfach so ungesehen mehr raus. Die Polizei hat schnurstracks einen lückenlosen Cordon aufgezogen, in die Tiefe gestaffelt, und das nach allen Regeln der Kunst, obwohl fast alle Polizisten zurzeit mit der Familie in Mallorca, so was von Unterbelegung, alles klar. Ausser wer’s war.
    Vorausgesetzt, das weiss man nie, dass es kein Unfall war. Und Unfälle sind manchmal, und ich sage mit Bedacht manchmal , erst recht verdächtig, das wissen wir aus der Kriminalliteratur, das haben schon Gescheitere als ich festgestellt, dass mancher Unfall etwas anderes war, nämlich, und jetzt muss ich das grausame Wort brauchen, Kinder, haltet euch die Ohren zu, ich flüstere es nur: Mord! Wir werden es noch erfahren. Aufklärung ist ortsüblich. Durchaus gute Quote. Das Verbrechen macht uns nichts vor. Wir machen es unschädlich, das kannst du mir glauben, liebe Leserin, lieber Leser. Denn das Gesetz ist da und schützt uns vor dem Bösen wie das Vaterunser, und das tägliche Brot der Polizei ist dieses Gesetz, damit die, die der Versuchung erliegen, hinter Schloss und Riegel die volle Wucht der Vergebung am eigenen Leib zu spüren bekommen.
    Müller hat ja die Polizei gerufen und gibt sich mit einem Augenzwinkern zu erkennen, aber nicht deutlicher, weil er inkognito unter den Badegästen eine Informationsquelle hinter den Linien bilden kann, militärisch gesprochen. Vielleicht hört er ein Raunen oder Flüstern mit, wie zum Beispiel gerade den Namen. Und darum ist die Polizei ganz schweigsam zu ihm, schaut ihn nur vielsagend an, und haben schon die Namen aller Leute auf dem Holzsonnendeck aufgeschrieben und gefragt, dies und das und ganz raffiniert, das lernst du in der Polizeischule und pflegst es während deiner Dienstjahre in ständigen Fortbildungskursen, damit du immer auf dem Laufenden bist, was zeitgenössische Ermittlungstechniken sind.
    Aber vorerst alles noch nutzlos. Niemand wusste etwas, und keine konspirativen Blicke auf dem Holzsonnendeck über dem Fluss. Aber so auf dem Präsentierteller würde sich nur der dümmste Täter präsentieren. Und obwohl noch keine Lösung am Horizont, sind die Polizisten ganz zufrieden. Zufrieden fühlen sie sich, denn sie sehen schöne Bikinis und viel nichts am Leib und schon schön braun, aber sind natürlich leider uniformenfeindlich wie heute oft.
    Sogar ein Freund von Müller dabei bei dem Polizeieinsatz, er heisst, wie angetönt, Bucher Manfred, genannt «Mampfi» oder der «Koloss vom
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