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Muckefuck

Muckefuck

Titel: Muckefuck
Autoren: Georg Lentz
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würde allerhand an Kalle auszusetzen haben. Der schöne Anzug! Kalle heulte wie am Spieß. Damals zogen Mütter ihre Kinder noch für Ausflüge fein an. Grundlage für viel Ärger in allen Familien, wenn die Ausflügler verdreckt, mit zerrissenen Kleidern meistens noch, heimkehrten. Ich riss mir einmal eine sechs Zentimeter lange Wunde an einem Stacheldraht. Trotz schnellem Notverband mit einem sauberen Taschentuch, das sich durch puren Zufall bei einem von dreißig Knaben fand, gelang es mir, das Blut von oben bis unten über mich zu verteilen. Ich sah aus wie das Opfer des Menschenschlächters Haarmann. Warte, warte noch ein Weilchen, dann kommt Haarmann auch zu dir – mit dem kleinen Hackebeilchen, und macht frische Wurst aus dir! Es soll auch einen Metzger gegeben haben, der Kinder verwurstete. Man fand einen Finger in der Sülze, so kam alles heraus.
    Der Ofen strömte jetzt eine Knallhitze aus, unter dem Plümo war es so warm, dass ich schwitzte, Ingeborg merkte nichts. Ich stand auf und schloss die Ofenklappe. öffnete das Fenster einen Spalt. Schlüpfte wieder ins Bett. Ingeborg drehte sich um. Ich spürte ihren Atem. Im Gebälk des Hauses knackte es.
    Ich schlief wieder ein. Der Sautraum begann von vorn. Kein Wunder, bei dieser Mission, in die mich Großmutter verwickelt hatte. Als ich wieder aufwachte, war es draußen hell. Ingeborg war schon aufgestanden. Kochte Kaffee, im Vorraum, wo ein Kohlenherd war. Kohle gab es nicht, das Holz neben dem Ofen wurde auch fürs Kaffeekochen verwendet. »Zieh dich an«, sagte Ingeborg. Ich schlüpfte in meine Kleider. Ingeborg sah mir zu, den Kaffeetopf in der Hand. Von der alten Frau keine Spur.
    »Ich zeige dir jetzt den Borch;« Wir gingen in den Stall. In einem Koben, von der Muttersau getrennt, wimmelten fast ein Dutzend Ferkel. Einige hatten Stehohren! »Keins mit Stehohren«, sagte ich. »Großmutter will keins mit Stehohren.« Ingeborg lachte.
    »Den da hinten in der Ecke. Ein sauberer Borch. Der wäre gut. Hol ihn dir.« Ich kletterte zwischen die Ferkel, versuchte den Borch zu fangen. Kam zu Fall. Die quiekenden Ferkel kletterten auf mir herum. Ingeborg lachte. Sie langte schnell in den Koben, als der kleine Borch nahe bei ihr vorbeiraste. Packte ihn bei den Hinterbeinen. Der Borch quiekte zum Erbarmen. »Komm raus«, sagte Ingeborg. »Halt den Sack auf.« Das zappelnde Schwein wurde verstaut, kam in eine Tasche an der Lenkstange meines Fahrrades. Ingeborg sah mich an. »Komm wieder.«
    »Ja.«
    Auf dem Feldweg, der zur Autobahn führte, machte der Borch allerlei Kapriolen. Die Tasche am Lenker schlenkerte hin und her. Mehrere Male geriet ich mit dem Vorderrad in tiefe Wagenspuren. Endlich die Autobahn. Ich trat die Pedale wie noch nie.
    Wieder die Betonpiste. Nur der Borch und ich. Auch auf den Feldern links und rechts nur ab und zu Bauern, viel war um diese Zeit nicht zu tun, die Wintersaat stand schon so hoch, dass Hasen sich hätten verbergen können. Es gab allerdings keine Hasen mehr. Die Hasen waren aufgegessen worden.
    Einen Borch ohne Stehohren hatte ich, sehr klein noch. Großmutter würde Augen machen. Ob sie wirklich damit rechnete, dass ich den Borch heil nach Hause brachte? Eine verrückte Idee, in der Stadt ein Schwein zu füttern! Es war übrigens ein kastrierter Eber, wie Ingeborg mir sachkundig gezeigt hatte. Wir wollten ja auch keine Schweinezucht eröffnen. Zum Mästen war der Borch bestimmt. Und zum alsbaldigen Verzehr!
    Über die Lebensbedingungen von Jungschweinen während eines Fahrradtransportes war mir nichts bekannt. Überlebte das Tier in dem Sack? Bekam es genügend Luft? Nahm es etwa Schaden? Die Großmutter hätte ich sehen mögen, der ich mit einem kaputten Ferkel gegenübertrat!
    Nach ein paar Stunden, die Autobahn dehnte sich endlos, begann der Borch unruhig zu werden. Ich fasste einen kühnen Entschluss, hielt an,zog den Sack aus der Tasche und öffnete ihn ein wenig, um das Schwein Luft schnappen zu lassen. Das hätte ich lieber nicht tun sollen. Der Borch schoss, aalglatt, weil mit fast flüssigem Schweinekot geschmiert, aus seinem Behältnis und rannte in ein nahes Kornfeld. Glücklicherweise war es Sommersaat, und ich konnte ihn sehen. Setzte ihm nach. So schnell, wie ich noch nie in meinem Leben gelaufen war! Nach ein paar Minuten hatte ich ihn beim Ringelschwanz. Wir wälzten uns im Grünen. Das Schwein quiekte. Dann hatte ich es wieder im Sack verstaut. Anschieben. Sprung aufs Rad. Weiter! Wieder Stunden. Am späten
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