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Mr. Lamb

Mr. Lamb

Titel: Mr. Lamb
Autoren: Bonnie Nadzam
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Milch«, sagte er. »Und gegrilltem Käse und frischen Birnenscheiben. Wie fändest du das?«
    »Meine Oma hat das früher für uns gemacht. Sie nannte das Cheese Toast. Sie hat ihn in dreieckige Stücke geschnitten.«
    »Das klingt gut. Und hat sie manchmal draußen für dich gegrillt? Auf einem Camping-Grill, am Fluss?«
    »Meine Oma? Die hat ja nicht mal Hosen angezogen.«
    »Eines Tages machen wir das. Wir beide.«
    »Dazu muss man erst einen Fluss finden.«
    »Ich kenne ein paar Flüsse.«
    Er brachte sie zu ihrem Wohnturm zurück, fuhr auf den Parkplatz und nahm sein Sandwich und den Karton mit Pommes frites aus der Papiertüte. »Hier«, sagte er. »Nimm du die Tüte.« Er nickte dem Sicherheitsmann, einem pummeligen jungen Mann mit einem dürftigen Oberlippenbärtchen, durch die Scheibe zu.
    »Wenn Sie wollen«, sagte Tommie, »kann ich Ihnen meine E-Mail-Adresse geben.«
    »Warum? Sehen wir uns wieder?«
    Ihr Gesicht wurde ausdruckslos. Wenn sie nicht zornig war, hatte sie einen völlig leeren, dümmlichen Gesichtsausdruck. Außergewöhnliche Haut, gesprenkelte Schweinchenhaut, aber kein Leuchten dahinter. Plötzlich spürte er den Drang, sie zu schlagen, sie mit dem Abdruck seiner Hand zu brandmarken. Etwas hinter ihrem Gesicht zu verankern. Ihr ein Schreien zu entlocken. Etwas Wildes und Ungezähmtes. War nicht erst vor einer Stunde so etwas wie Zorn in ihr aufgeflackert? Konnte man das nicht noch einmal wecken?
    »Soll ich dir mal was sagen?« Er blickte in ihre trüben Augen. »Eigentlich habe ich keine Freunde in dieser Stadt.«
    »Dann sind wir schon zwei.«
    * * *
    In der Woche darauf trafen sie sich zehn Mal. Jedes Mal schenkte er ihr etwas zu essen: Er zerteilte einen Apfel für sie mit dem Taschenmesser, er fuhr mit ihr in die Stadt und kaufte ihr einen Hotdog und eine Brezel. Er schenkte ihr ein paar Sachen aus den Kisten mit billigen Kostbarkeiten vom Haus seines Vaters: einen silbernen Flaschenöffner, ein Büchlein mit Zeichnungen von nordamerikanischen Vögeln. Er kaufte ihr eine Tüte mit Lakritz, die sie sich im Bett unters Kissen legen sollte, um nachts davon zu naschen, und einen schweren Anspitzer aus echtem Silber, der in ihre Hosentasche passte – etwas, wonach sie greifen und woran sie sich festhalten konnte, wenn Sid oder Jenny oder sonst jemand in ihre Nähe kam oder weiter weg von ihr etwas flüsterte. Jeden Morgen kam sie zeitig zur Bushaltestelle, er holte sie dort ab und fuhr mit ihr in ein Pancake House und brachte sie trotzdem pünktlich zur ersten Stunde in die Schule, den Bauch voll mit Blaubeeren und Würstchen.
    Dann, als ihm der richtige Zeitpunkt gekommen schien, nahm er sie sich für einen ganzen Tag. »Wir wollen keinen Ärger, wir wollen niemandem Sorgen machen, deswegen müssen wir das sorgfältig planen«, sagte er. »Hab ich recht?«
    Und das hatten sie getan. Mit seinem Ford fuhren sie über den Fox River, in die Prärie-Reservate und zu den grünen, schleimigen Teichen, die noch weiter weg lagen. Der Tag war plötzlich heiß und klar, Wetter wie im Sommer – eine echte Lüge, da es doch an manchen Morgen schon die ersten frischen Herbstregen gegeben hatte. Ein träger Tag in honiggelbem Licht, als wäre der Raum selbst erschöpft von der Anstrengung, die es erforderte, eine solche Lüge aufrechtzuerhalten.
    »Möchtest du, dass ich dir davon erzähle? Wie es auf der anderen Seite von Nebraska aussieht?« Er gab ihr eine orangesilbrige Dose kalter Limonade, und sie lehnte den Kopf an den Rahmen des Rückfensters und streckte die langen, dünnen Beine quer über die Ladefläche hinter ihm aus. Er hatte die Ärmel seines blauen Hemds bis zu den Ellbogen aufgerollt, stand an den Wagen gelehnt, die neuen Stiefel vor sich auf dem Boden über Kreuz. Es war heiß. Nichts regte sich. Wo er gehalten hatte, brach ein Streifen aus hohem Nadelgras und Disteln durch das Pflaster der schmalen Straße. Hinter ihnen summte die I-80. Er nahm die Baseball-Mütze seines Vaters ab und wischte sich mit dem Unterarm über die Stirn.
    Das Mädchen prustete und öffnete ihre Soda-Dose, feiner Sprühregen.
    »Ich kann dich auch wieder nach Hause bringen, wenn du einfach nur prustest, Miss Piggy.«
    »Nein, nein, ich höre ja zu.«
    »Wirst du mich unterbrechen?«
    »Nein.«
    Er beugte sich nach vorn und fuhr, ohne sie zu berühren, mitder Handfläche vor ihrem Gesicht her. »Du musst die Augen zumachen. Bist du so weit?«
    »Ja.«
    »Lass die Augen zu.«
    »Mach ich doch.«
    Er setzte
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