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Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell

Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell

Titel: Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell
Autoren: Rebecca Hunt
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beobachtete, wie Lichtstreifen über die Windschutzscheibe huschten, auf den Waldabschnitten verschwanden und danach wieder huschten.
    »Esther, ignoriere mich nicht«, sagte Black Pat. »Ich ertrage es nicht, wenn du mich ignorierst.« Er flüsterte ihr bettelnd ins Ohr. »Ich ertrage es nicht.«
    Esther schnippte mit den Fingern und grinste Corkbowl an. »Ich weiß einen klassischen Fall von schön und schrecklich.« Triumphierend schnippte sie abermals mit den Fingern. »Wenn man tanzt und gleichzeitig weinen muss. Grässlich.«
    »O Mann«, sagte Corkbowl. »Das ist wirklich grässlich.«
    »Sie weinen doch nicht, wenn Sie tanzen, oder?«, wollte Esther wissen.
    »Natürlich tut er das«, ätzte Black Pat, angewidert von Corkbowl.
    »Seit gestern nicht mehr«, antwortete Corkbowl. »Im Ernst, Esther«, sagte er, seinerseits immerhin beinahe ernst, »ich bin zu männlich, um zu weinen, viel zu männlich.« Listig fügte er hinzu: »Und wenn Sie auf einen Schluck zu trinken mitkommen würden,könnte ich es Ihnen beweisen. Wenigstens bis die Musik losgeht.«
    »Dieser Idiot«, sagte Black Pat, »ist ja geradezu revolutionär in seiner Idiotie.« Er verzog angeekelt das Gesicht. »Er ist so idiotisch, dass es schon radikal ist. Ich kann mir nicht – Gott! « Ein Schauder lief durch seinen bulligen Körper, gefolgt von einem feuchten Würgen. Auch das nächste gespielte Erbrechen, Ausdruck des größten Abscheus, wurde von Esther vollkommen ignoriert. Black Pat schnellte von ihrem Fenster zurück, als hätte er einen Schlag an den Kopf bekommen. Er blieb auf der Straße stehen und wurde mit wachsendem Abstand immer kleiner. Im Rückspiegel sah Esther seine Leidensmiene, die niedergeschlagene Kopfhaltung. Tief enttäuscht ließ er das Auto fahren.
    »Es kommt nicht oft vor, dass ich von einem sozial minderbemittelten weinenden Tänzer auf einen Schluck zu trinken eingeladen werde«, sagte Esther zu Corkbowl.
    »Hab ich mir schon gedacht«, erwiderte Corkbowl. Er musste noch hinzufügen: »Ein Glück für mich, denn ich habe auf den Reiz des Neuen gesetzt.«

39
    20 Uhr 30
    D ie Haustür schlug zu. Ein kalkuliertes Zuschlagen, als Signal gedacht. Gespannte Stille erfüllte den Flur. Das ganze auffällig leere Haus war gespannt. Esther schlich ins Wohnzimmer. Überall Anzeichen von Black Pat: ein Sofapolster auf den Boden geworfen und malträtiert, das Sofa von der Wand geschoben, eine Zeitung zerfetzt, ein Stock methodisch in Teile zerbissen und dann angekaut. In der Mitte des Zimmers stellte sie ihre Handtasche auf den Teppich und fühlte die Ruhe der Wehmut. Sie legte das Kordpolster auf das Sofa zurück. Sie schob die zerfledderte Zeitung mit den Füßen zusammen. Sie trat gegen die Teile des kaputten Stocks und beschloss dann, sie später zu beseitigen. Er kam bestimmt gleich. Sie drehte sich um, wollte in die Küche gehen.
    »Du hast dir Zeit gelassen.«
    Auf Knien und Bauch kam er hinter dem Sofa hervorgerumpelt und vergrub das Gesicht in ihrer Handtasche. Knirschen. Unsichtbar malmten seine Kiefer. Sie versuchte ihre Stimmung mit Normalverhalten zu verbergen, doch Black Pat spürte, dass Esther weit weg von ihm war. Einen Moment lang waren sie sich gegenseitig fremd, herrschte frostige Distanziertheit zwischen ihnen.
    »Die Fahrt hat länger gedauert als gedacht«, antwortete Esther. »Der Verkehr war ganz schön übel.«
    Black Pats kauendes Gesicht erschien. »Du bist nicht zu ihm mitgegangen?« Bei den Worten fiel ihm etwas Glänzendes aus dem Maul, dann ein Stück rotes Plastik. Sein Ton war geflissentlich gelangweilt.
    »Nein, heute wollten wir nicht, vielleicht irgendwann in der Woche. Es ist nur so eine Idee.« Sie merkte, dass sie sich entschuldigte. »Hast du meinen Taschenspiegel gefressen?« Sie sagte es möglichst beiläufig. Das war die falsche Reaktion, sie bestärkte ihn nur. Black Pat beantwortete sie mit entschiedenem Zerstörungswillen und machte sich emsig an die Vernichtung eines Taschenbuchs, das er aus der Handtasche zog. Das Taschenbuch wurde in kleinere Teile zerrissen und dann gierig gefressen.
    Das war einigermaßen ärgerlich, denn sie hatte das Buch nur halb gelesen. Sie trat einen Schritt vor, und Black Pat fraß schneller, fing an zu schlingen. Wie schön, dass sie sich ärgerte. Sie tat noch einen kleinen Schritt. Er schlang triumphierend weiter und machte dazu lautmalerische Geräusche: Hab-ab-ab-ab-ab! Hab-ab!
    Esther ging jetzt energisch auf ihn zu, und Black Pat duckte sich zum
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