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Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell

Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell

Titel: Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell
Autoren: Rebecca Hunt
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Sprung. Das Seidenfutter ihrer Handtasche hatte sich an einer Ecke gelöst. Mehrmaliges kräftiges Ziehen, und mit einem lauten Ratsch riss es ganz heraus. Esther griff nach der Handtasche, und Black Pat witschte davon und biss dabei große Löcher ins Leder. Wieder duckte er sich, wartete sprungbereit auf die Verfolgung. Er spannte die Muskeln an, um blitzschnell zu entkommen und spielte dabei trotzdem den Uninteressierten. Aber seine erhobene Schwanzspitze, die vor aufgeregter Erwartung zuckte, verriet ihn.
    Esther gab auf und ließ ihn machen.
    Der Schwanz sank nieder, als sie aus dem Zimmer ging und die Handtasche ihrem Schicksal überließ. Black Pat starrte ihr mit gestrecktem Hals hinterher, die Ohren erst gesenkt und dann aufgestellt, als er sie in die Küche gehen hörte. Die Ohren gespitzt, lauschte er angestrengt. Ruckartig stand er auf. Dann folgte er ihr in die Küche, wobei sein Fuß sich in der Handtasche verfing und den Inhalt über den Fußboden verteilte.
    Esther goss kochendes Wasser in eine Teekanne. Sie drehte sich um und sah Black Pat auf den Hinterbeinen in der Tür stehen. Mit der Schulter an den Rahmen gelehnt, nahm er die ganze Türöffnung ein. Er beobachtete sie, wie sie in der Küche herumging, die Milch holte, zwei Tassen holte. Black Pats gelbe Augen verfolgten sie, taxierten die Form unter den Kleidern. Er kannte die Krümmung von Esthers Knien, ihre zarten Bänder, ergötzte sich an der Wölbung ihres Schädels. Die Knochen an ihren Ellbogen und Handgelenken waren ihm ein Gedicht, das Adernetz ihrer Füße eine Feier des Blutkreislaufs. Seine Besitzgier verweilte auf dem Knorpel ihrer Ohren, auf der Haut ihres Halses. Esther schwenkte die Teeblätter mit einem Löffel herum, und seine Augen bohrten sich in sie. Er presste den Kopf an den Türrahmen und saugte sie so unverhohlen mit den Blicken aus, dass sein geduldiges Warten geradezu ein brutaler Angriff war.
    »Ich habe was von deiner Handtasche gefressen«, sagte Black Pat leicht hoffnungsvoll, leicht herausfordernd. »Das meiste, um genau zu sein.«
    »Macht nichts«, sagte sie, und ihre Sanftmut weckte schlimmste Befürchtungen in seiner Brust. »Ich habe noch andere.«
    »Wo?«, wollte Black Pat wissen.
    Sie antwortete nicht, rührte nur emsig mit dem Teelöffel. Sie fühlte den Blick seiner eifersüchtigen Augen.
    Black Pat verharrte in seiner Illustriertenpose. Die Stille lud sich immer stärker auf.
    Esthers Wangen glühten, als sie sich eine Tasse Tee einschenkte. Sie zwang sich, mit heiterer Harmlosigkeit zu fragen: »Willst du auch einen Tee?«
    Black Pat wollte keinen, er wollte etwas anderes. Was er wollte, sagte sein massiger Tierkörper nur allzu deutlich. Seine animalischen Triebe und seine brutale Leidenschaft brachten die Atmosphäre in der Küche zum Knistern.
    Esther setzte sich auf den Tresen, fühlte die Wärme des Resopals durch den Rock. Sie stieß mit den baumelnden Fersen an die Schubladen – ein plumper Täuschungsversuch. Die Ursache für ihre Verlegenheit, für die eigentümliche gegenseitige Reserviertheit machte sie feige. Esther blieb dabei, lässig mit den Fersen an die Schubladen zu bummern und stumm die ganz entspannte Frau in ihrer Küche zu spielen. Doch Black Pat roch die Adrenalinausschüttungen in ihrem Organismus. Diese hormonelle Reaktion zeigte ihm, wie es in Wahrheit um sie bestellt war.
    »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Esther schließlich. »Du wirkst ein bisschen – «
    »Philosophisch? Ja, philosophisch.«
    Nein, das stimmte nicht. Esther widersprach ihm nicht. »Hat das einen bestimmten Grund?«
    Black Pat warf ihr einen schmachtenden Blick zu. »Allerdings.«
    Esther trank einen großen Schluck Tee. »Ich?«
    Black Pats Nein bedeutete Ja. »Ich kann Corkbowl nicht ausstehen.«
    »Das ist mehr als offensichtlich«, sagte Esther.
    »Ich kann ihn immer weniger ausstehen.« Black Pat sank mit der Hinterhand auf den Boden. »Immer weniger und weniger. Weniger als weniger.«
    Vorsichtig fragte Esther: »Willst du über Corkbowl reden?« Sie stellte die Tasse auf den Tresen und pustete sich auf die Finger.
    »Du weißt, worüber ich reden will.«
    Ein kindisches Dementi von Esther: »Weiß ich nicht.«
    Damit trat ein Patt zwischen den beiden ein. Durch die offene Hintertür kam eine Brise, ein Hauch ofenwarmer, schwüler Abendluft. Unter dem Pony war ihre Stirn feucht. Sie nahm eine Haarklammer aus ihrer Rocktasche und steckte den Pony zu einem komischen Wedel hoch, um sich nicht
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