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Mozarts letzte Arie

Mozarts letzte Arie

Titel: Mozarts letzte Arie
Autoren: Matt Beynon Rees
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vagen Schimmer vor ihren Augen ausmachen konnte. Ihre Lippen bewegten sich, aber ich wusste nicht, ob sie mitsang oder nach Atem rang.
    «Den, den ich lieben möchte,
    darf mein Herz nicht begehren.»
    Ich muss gestehen, dass mich beim dramatischen Schluss der Arie die Musik völlig ergriff. Ich dachte nicht mehr an Tante Nannerl, die schmal in ihrem Bett lag. Ich sang das höchste C, dessen ich fähig war, und hatte wie so oft, wenn ich die Musik meines Vaters spielte, das Gefühl, dass seine Hand die meine über die Tastatur führte.
    «Scheide von mir, lauf von mir fort.
    Von Liebe sprich kein einziges Wort.»
    Als die Arie zu Ende war, schloss ich die Augen und lauschte dem im Klavier verklingenden Schlussakkord nach. Eine Berührung an meinem Handgelenk ließ mich zusammenschrecken.
    Ich drehte mich zu Tante Nannerl um und wollte sie fragen, ob sie die Arie genossen hätte. Sie lag aber so ruhig da, dass ich beschloss, nur ihre Hand unter die Decke zu schieben und auf Zehenspitzen ins Wohnzimmer zu schleichen.
    Ich hob ihren Arm an. Er war so schwer wie bei einem schlafenden Kind. Ich beugte mich über sie und flüsterte ihren Namen. Ihr Kopf lag immer noch auf der Seite, mit geschlossenen Augen dem Fenster zugeneigt. Ich bewegte meine Hand vor ihrer Nase und ihren Lippen, spürte aber keinen Atem mehr. Ihre Brust war regungslos.
    Sie war verschieden, während ich sang.
    Ich nahm ihre Hand in meine, als könnte meine Wärme sie ins Leben zurückholen. Sie hielt etwas fest. Um zu sehen, was es war, drehte ich ihr Handgelenk um.
    Eine dünne Goldkette war um ihren Mittelfinger gewickelt. Auf ihrer Handfläche lag am Ende des Kettchens ein Kreuz mit Bernsteinintarsien.
    Franz Xaver Wolfgang Mozart
Salzburg, 10. Oktober 1829

Anhang

Anmerkungen des Autors

    Dieser Roman basiert auf historischen Ereignissen. Mozarts Todesahnungen, sein riskanter Plan für eine neue Freimaurerloge und seine Berlinreise sind Gegenstände historischer Forschungen. Die Verfolgung der Freimaurer durch Pergens Geheimpolizei, Hofdemels Selbstmord und seine Verstümmelung Magdalenas sind ebenso gut dokumentiert wie viele andere Details der Personen, ihrer Beziehungen untereinander und ihrer Mitgliedschaft in geheimen Bruderschaften der Freimaurer. Dass Frauen die Mitgliedschaft in Wolfgangs neuer Loge gewährt werden sollte, ergibt sich aus dem Libretto der
Zauberflöte,
die ich als ein kraftvolles Argument für den Zutritt von Frauen zur Freimaurerei interpretiere.
    Die Lebensgeschichten einiger Figuren habe ich verändert und mir dabei in unterschiedlichen Graden dichterische Freiheiten erlaubt. Nannerl ist nach Wolfgangs Tod nie wirklich in Wien gewesen. Gieseke floh aus der kaiserlichen Hauptstadt, tauchte dann wieder in Grönland auf und später in Dublin, wo er 1833 als angesehener Professor der Mineralogie starb. Graf Pergen wurde tatsächlich von Leopold II. seines Amtes enthoben. Aber als der Kaiser drei Monate nach Wolfgangs Tod plötzlich verstarb, wurde Pergen wieder eingesetzt. Man verdächtigte Freimaurer, Leopold vergiftet zu haben.
    Kurz vor seinem Tod entließ Leopold van Swieten, nachdem dessen Mitgliedschaft bei den Freimaurer-Illuminaten publik geworden war. Der Baron kehrte nie ins öffentliche Leben zurück. Er starb 1803.
    Magdalena Hofdemel kehrte nach Mähren in ihr Elternhaus zurück.
    Die lindernde Kraft von Wolfgangs Musik bei diversen Funktionsstörungen ist Gegenstand vieler neuerer wissenschaftlicher Untersuchungen. Eine 2001 im
Journal of the Royal Society of Medicine
publizierte Arbeit kam zu dem Ergebnis, dass Mozarts Klaviersonaten bei Patienten wie Magdalena epileptische Symptome dämpfen.
    Was Wolfgang betrifft, vermag niemand mit Sicherheit zu sagen, wie er ums Leben kam. Aber er könnte tatsächlich so gestorben sein.

Die Musik

    Ludwig Ritter von Köchel, ein österreichischer Musikhistoriker, hat 1862 erstmals Mozarts Werke katalogisiert. Heutzutage wird die Musik durch das sogenannte Köchelverzeichnis bzw. K-Nummern ausgewiesen. Mozarts Zeitgenossen benutzten die K-Nummern natürlich noch nicht, weshalb ich sie im Roman nicht auf die Musik anwende. Aber falls man nachschlagen und die Musik hören möchte, die in diesem Buch erwähnt wird, folgt hier eine Liste der K-Nummern.
    Prolog: «Vedrai carino» («Du wirst sehen, meine Liebe»), Arie aus der Oper
Don Giovanni,
K 527
    Klaviersonate in A, K 331
    Kapitel 1: Klaviervariationen «Ah, vous dirai-je, Maman», K 265
    «Per pietà, ben mio,
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