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Mozarts letzte Arie

Mozarts letzte Arie

Titel: Mozarts letzte Arie
Autoren: Matt Beynon Rees
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die mit Tinte beschriebenen Blätter, die steif wie Winterlaub waren. «Hier findet sich die Wahrheit über Wolfgangs Tod.»
    «War es …»
    «Gift, wie wir vermutet haben.»
    «Wie hat man es gemacht?»
    «Bei einer Zusammenkunft der Freimaurerloge. Hofdemel verabreichte Wolfgang
Acqua Toffana
in einem Punschbecher.»
    «Hat er Wolfgang ermordet, weil er glaubte, von ihm gehörnt worden zu sein? Aber Pergen hat doch gestanden. Hat er Hofdemel angestiftet, meinen Bruder umzubringen?» Ich wusste, dass dies nur die halbe Wahrheit war. Versuchte ich, den Baron dabei zu ertappen, dass er Lichnowsky deckte? Eine Lüge, die mich in mein Dorf zurückbringen würde?
    Swieten klopfte sich mit den Fingernägeln an die Zähne.
    Gottfried, dachte ich, versteck dich nicht vor mir. «War es so?», fragte ich.
    Er legte die flache Hand auf das Buch. «So war es.»
    Wenn ich geglaubt hatte, mir bräche das Herz, als ich das Büro betreten und verstanden hatte, dass es mein eigener Liebhaber war, der Lichnowsky laufen ließ, so zerbrach es mir jetzt endgültig. Es zerriss unter der Schwere meiner Schuld, meines Betrugs an meinem guten Gatten und meinen Kindern und meinem Gott. Ich legte mir die Hand vor den Mund und schluchzte.
    Er versuchte mich zu trösten, aber ich schüttelte den Kopf, und da wusste er, dass ich nicht um meinen toten Bruder weinte.
    Ich zeigte zur Tür. Seine Augen zogen sich schmerzlich zusammen, und er blickte durch den Flur in Richtung des Verräters auf der Treppe. «Lichnowsky», flüsterte er.
    Er streckte die Hand nach mir aus, aber ich rückte auf dem Diwan von ihm weg.
    Der Baron schlug sich die Hände vors Gesicht. «Ich möchte es dir erklären», sagte er.
    Diese Worte! Die Arie, die ich für ihn in der kaiserlichen Bibliothek gesungen hatte, kurz bevor ich verstand, dass er mich liebte.
Ich möchte Dir erklären, O Gott, welcher Kummer mich quält.
Ich hörte das Lied in meinem Kopf, aber jetzt erschienmir sogar Wolfgangs Musik disharmonisch. Die Arie geriet ins Stocken und verstummte.
    «Dies ist meine Chance, Wolfgangs Ideen im ganzen Reich bekannt zu machen.» Er sah mich mit seinen dunklen Augen an. Sie waren voller Tränen. «Weißt du, wenn ich dieses Leben hier in der Hofburg aufgeben, mit meiner Geige durch Europa ziehen und auf jedem Dorfplatz spielen könnte, dann würde ich es tun. Aber ich bin nur ein mittelmäßiger Musiker. Auf diese Weise kann ich seine Botschaft nicht verbreiten. Ich bin Politiker. Es steht nun in meiner Macht, Wolfgangs Ideale von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit Gesetz werden zu lassen.»
    Er verschränkte seine Finger so fest ineinander, wie er meinen Körper umfasst gehalten hatte.
    «Aber du hast Wolfgang geliebt», sagte ich. «Wie kannst du deine Ergebenheit für ihn einfach vergessen?»
    «Wolfgang und ich haben oft darüber gesprochen, wie diese aufklärerischen Ideen das Reich verändern würden. Ich tue es für ihn.»
    Ich schnalzte mit der Zunge. Er zuckte zusammen, als hätte ich ihn bespuckt.
    «Glaubst du etwa, ich würde Lichnowsky nicht alle Qualen der tiefsten Hölle wünschen?» Er schlug die Hände zusammen. «Aber wenn ich versuche, ihn zu bestrafen, wird der Kaiser mich entlassen. Verrat eines Prinzen? Nein, dann sähe es wirklich so aus, als sei der Kaiser persönlich bedroht. Wenn er sich nicht einmal mehr auf die Loyalität eines Prinzen verlassen kann, befände er sich tatsächlich in einer angreifbaren Lage. Verstehst du das nicht?»
    Der Sturm in meiner Brust legte sich und wurde durch etwas ersetzt, das schwer und still wie Blei war.
    «Meine Wahl ist klar», sagte er. «Entweder eine sinnlose Tat, die zu meiner Entlassung führt. Oder die Chance aufReformen, die ein würdiges Denkmal für Wolfgangs wundervolle Seele wären.»
    Unten auf dem Hof stampfte ein Pferd aufs Pflaster. Meine Kutsche. Ich konnte kaum glauben, dass ich in dieser Kutsche den Heimweg in mein Dorf antreten würde – dass ich ohne den Baron sein würde.
    «Ich verstehe, warum du dich so entscheidest.» Meine Stimme war gebrochen und matt. «Was wird mit Prinz Lichnowsky geschehen?»
    Swieten zögerte. «Nun ja, er ist jetzt
mein
Agent.»
    Beschämt senkte er den Kopf.
    «Ich verstehe.» Ich wusste, was ich zu tun hatte. In Wolfgangs Fall waren nur noch Details zu klären.
    «Wie viel Geld?», sagte ich. «Wie viel hat Lichnowsky bekommen? Wie hoch war der Preis für das Leben meines Bruders?»
    «Hofdemel erhielt zehntausend Gulden pro Jahr, um als Agent
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