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Nimmerzwerg

Nimmerzwerg

Titel: Nimmerzwerg
Autoren: Christian von Aster
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PROLOG
     
     
     
    Krugk Trümmerboldt saß an der steinernen Tafel in der Höhle des Großen Verwalters und zwirbelte lächelnd seinen frisch polierten Bart. Hinter ihm prasselte in einem grob gefugten Kamin aus makellos weißem Felsgestein jenes Feuer, dem man nachsagte, dass es noch niemals erloschen war und nie verlöschen würde. Auch wenn das nicht ganz stimmte. Aber zum einen klang „niemals“ besser als „selten“, und zum anderen symbolisierte besagtes Feuer in seiner vollkommenen Unverlöschlichkeit den flammenden Geist des Ehernen Volkes. Und eben deshalb saß Trümmerboldt vor dem niemals verlöschenden Feuer, an das der Herr der Zwerge sich von alters her zurückzuziehen pflegte, um sich mit seinen Häuptlingen oder einem guten Humpen Bitterbräu zu beratschlagen.
    Die Höhle des Großen Verwalters war reine, in den Fels gehauene Tradition. Und eigentlich war es Krugk Trümmerboldt, der nicht hierher gehörte. Er war kaum mehr als das klägliche Überbleibsel absonderlicher Verstrickungen, in deren Verlauf sich die Bruderschaft des behände entwendeten Beutels und das Zwergische Zwielicht { * } unter der Führung Felsigk Klammgluths die Macht über das Eherne Imperium erschlichen hatten.
    Klammgluth war das Oberhaupt des Zwielichts gewesen. Der Herr aller Halunken, der mit seiner Verschlagenheit und Voraussicht die Angst des Großen Verwalters ausgenutzt und sich mit Hilfe eines tückischen Plans zum Herrn aller Zwerge aufgeschwungen hatte.
    Der Große Verwalter, der eigentliche Herrscher des Imperiums, hatte in steter Furcht gelebt, dass sich die Felsen bewegen und die Dinge verändern könnten. Einem Volk, das inmitten von Felsen lebt, sind nämlich Dinge, die sich bewegen, von vornherein suspekt – im tatsächlichen wie im übertragenen Sinne. { * } Der Verwalter war der Bewahrer der Tradition gewesen, von den Gottzwergen auserwählt. Seine Aufgabe war es, ihren Willen zu erfüllen und jeder Veränderung Einhalt zu gebieten.
    Und diese Tatsache hatte sich Klammgluth zunutze gemacht…
    Der Anführer des Zwielichts hatte die Ängste des Verwalters geschürt, sein Misstrauen gegen sein eigenes Volk angefacht, bis dieser schließlich ein verzweifeltes Gesetz nach dem anderen erlassen und mit beinahe jeder Tradition gebrochen hatte, nur um die Macht zu sichern, die ihn eigentlich in die Lage versetzen sollte, besagte Traditionen zu bewahren.
    Am Ende hatten ihn die aufgebrachten Zwerge in der goldenen Orakelhöhle, die er selbst hatte errichten lassen, gestürzt. Und nun war der Verwalter in einer abgelegenen Höhle an eine Wand geschmiedet worden, zusammen mit zahllosen anderen Gefangenen, welche die Gemeinschaft der Begnadeten Bewahrer bildeten und in ihrem Verlies sämtliche Geheimnisse der Zwergenheit hüteten.
    Kaum dass der Verwalter fortgesperrt war, hatte sich Klammgluth zum Herrn aller Zwerge ausrufen lassen und seinen Gehilfen Krugk Trümmerboldt vorübergehend zu seinem Stellvertreter ernannt. Dann war er zusammen mit Harrm Kiesgrimm, einem weiteren Getreuen, und einem gedungenen Zwergenmörder aufgebrochen, um dem Schicksalszwerg zu folgen, der in den Tiefen der Höhlen nach dem Undenkbaren suchte. Das Undenkbare galt in den Grenzen des Imperiums als größter und mächtigster aller denkbaren Schätze – obwohl niemand wusste, worum es sich dabei genau handelte. Manche munkelten, es müsse der goldene Bart Raffzahn Schmalzls sein. Einige Schürfbrüder behaupteten, es handele sich um das Mysterium des selbstgrabenden Ganges, während die meisten Wurzelmeister überzeugt waren, dass das Undenkbare jede Flüssigkeit in Bier oder zumindest Stein in Gold verwandeln konnte. Manche zogen sogar die Möglichkeit in Betracht, dass es sich bei dem Undenkbaren um ein Bier handelte, das gegen Kopfschmerzen half. Neben insgesamt achtunddreißig legendären Äxten und Hämmern aus mythischen und überwiegend ausgedachten Kriegen vermutete man in dem Undenkbaren schließlich sogar Frauen. Da die Frauen des Ehernen Volkes seit Hunderten von Jahren tot waren, war hier aber wohl eher der Wunsch der Vater des Gedanken. Tatsächlich wusste kaum noch ein Zwerg, wie die Zwergenfrauen überhaupt ausgesehen hatten.
    Die nüchternen und trunkenen zwergischen Phantasien, die sich um das Undenkbare rankten, waren jedenfalls so zahllos wie die Lügen über die Heldentaten von Rammstein dem Älteren.
    Und den hatte es nicht einmal gegeben.
    Was immer das Undenkbare auch war, Felsigk Klammgluth, der
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