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Mozarts letzte Arie

Mozarts letzte Arie

Titel: Mozarts letzte Arie
Autoren: Matt Beynon Rees
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der Königin kam über mich.
    «Sie haben ein großes Genie ums Leben gebracht.» Meine Hände ballten sich zu Fäusten. «Dafür werden Sie bestraft werden.»
    Er lächelte. «Und dennoch laufe ich hier frei herum.»
    «Nicht mehr lange», sagte ich. «Ich werde dem neuen Polizeiminister von Ihrem Doppelspiel berichten.»
    «Glauben Sie etwa, ein Prinz wird dafür bestraft, im Geheimen für seinen Kaiser gearbeitet zu haben? Nur weil ein Schmierenmusikant ein unseliges Ende gefunden hat?»
    «Wie können Sie es wagen!»
    «Wenn Ihnen das nicht passt, gehen Sie doch zum Minister und sagen ihm, was Sie wissen.»
    «Das werde ich auch.»
    «Ich ermutige Sie, es zu tun. Wirklich.» Er deutete mit dem Stock treppauf. «Die großen Türen unter dem goldenen Wappen mit dem Doppeladler. Da ist sein Büro.»
    Ich blickte zur Treppe und dann wieder den Prinzen an.
    «Laufen Sie los, Madame», sagte er. «Das Schwert der Gerechtigkeit wird bald auf mich niedersausen, meinen Sie nicht?»
    Er lachte leise, während ich die Treppe hinaufeilte.
    Ich ging durch den breiten, weißen Flur zum Büro des Polizeiministers. Über dem Adlerwappen prangte die Kaiserkrone.
    Die Tür des Ministers wurde geöffnet, und ein Mann trat heraus. Er trug einen Stapel Kanzleibücher unter dem Arm. Als er mich sah, verbeugte er sich flüchtig. Es war Strafinger, der Assistent des Barons.
    Lichnowskys Schritte verklangen hinter mir auf der Treppe. Mein Puls raste. Was ich befürchtete, durfte nicht wahr sein.
    Strafinger trat beiseite und hielt mir die Tür auf.
    An einem Stehpult las Baron van Swieten in einem Dokument. Er blickte auf und lächelte.
    Ich schüttelte ungläubig den Kopf. In meiner Brust spürte ich einen Druck, als würde mir das Herz zerspringen. Er legte das Papier ab und schlug schuldbewusst die Augen nieder.

37

    Im Büro des Polizeiministers versank alles in Schwärze, als hätte das Sonnenlicht den Raum noch nie erhellt. Der Assistent des Barons entfernte sich und schloss die Tür. Ich riss die Augen auf, obwohl ich mir am liebsten gewünscht hätte, den Mann, den ich liebte, nicht vor mir stehen sehen zu müssen.
    Die Täfelung des Raums bestand aus hellem Kastanienholz mit Schnitzwerk im ornamentalen Renaissancestil. Auf einer Seite zeigte ein Wandteppich in dunkelblauen und grünen Tönen eine Jagdszene im Wiener Wald. Der Fußboden bestand aus polierten Keramikfliesen, die zu dunklen Winkeln gefügt waren. Vor dem Fenster hing Nebel.
    Swieten durchquerte den Raum und ergriff meine Hände. Er war unrasiert. Unter seinen Augen war die Haut grau und aufgedunsen.
    «Nannerl», flüsterte er und küsste mir die Finger. «Meine Liebe.»
    Seine Miene zeigte den gleichen hoffnungslosen, fragenden Ausdruck wie in dem Moment, als Pergen aus dem Musiksalon des Kaisers gezerrt worden war. Die Frage lautete, ob ich bereit wäre, bei ihm zu bleiben. Eine eindeutige Antwort wusste ich immer noch nicht.
    Lass ihn nicht lügen, dachte ich. Wenn er lügt, muss ich Wien verlassen. Das weiß ich genau. «Gottfried», murmelte ich.
    Er schloss die Augen und streichelte mein Gesicht.
    Ich warf einen Blick auf die Papiere auf dem Schreibtisch. «Pergens Büro?»
    «Ich habe die ganze Nacht hier verbracht. Der Kaiser hat mir befohlen, die Akten einzusehen, um herauszufinden auf welche Weise Pergen sonst noch seine Befugnisse überschritten hat.»
    «Eine große Chance», sagte ich.
    «Ich bin sehr erfreut, dass du es so siehst. Ich kann tatsächlich im ganzen Reich gewisse Dinge verändern. Das Leben von Millionen Menschen erleichtern. Der Kaiser hat mir diese Chance geboten. Aber ich verdanke sie dem Mut, den du gestern gezeigt hast, als du in der Hofburg aufgetreten bist.»
    Auf dem Pult lag ein aufgeschlagenes Kanzleibuch. Ich berührte den Buchschnitt. «Was hast du herausgefunden?»
    «Das Ausmaß von Pergens geheimen Aktivitäten ist enorm. Ich muss aber zugeben, dass ich fast die ganze Nacht an einem einzigen Fall gearbeitet habe.» Er klappte das Buch zu und zeigte mir das Etikett, das auf die Mitte des Umschlags geklebt war. «
Mozart, Johannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus.
»
    Ich strich mit dem Finger unter dem Namen meines Bruders entlang und dachte an das Pergament, das auf seinem Grab im Wind flatterte. Ich hätte Swieten gern gesagt, was ich über Lichnowskys Verrat wusste, aber mit der Wahrheit musste er freiwillig heraus. «Zeig es mir.»
    «Komm.» Er führte mich zu einem mit rotem Samt bezogenen Diwan. Er blätterte durch
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