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Mozarts letzte Arie

Mozarts letzte Arie

Titel: Mozarts letzte Arie
Autoren: Matt Beynon Rees
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für Pergen zu arbeiten. Lichnowsky hat sehr viel mehr bekommen und obendrein noch Geld von den Preußen. Er konnte damit seine Familiengüter zurückkaufen, obwohl sie unter preußischer Kontrolle waren, seit König Friedrich vor vierzig Jahren Schlesien erobert hatte. Die Rückgabe seines Landbesitzes – damit haben die Preußen Lichnowsky anfangs geködert, damit er für sie arbeitet.»
    Ich dachte wieder an die großzügige Ausstattung von Magdalenas Wohnung. Das Klavier, auf dem Wolfgang dort gespielt hatte, war mit dem Geld gekauft worden, mit dem auch sein Mörder bezahlt worden war.
    «Wolfgang musste zum Schweigen gebracht werden, damit weiterhin Geld fließen konnte», flüsterte Swieten.
    «Wegen der
Zauberflöte?»
    Er schüttelte den Kopf. «Die Preußen haben Lichnowsky angewiesen, eine neue Loge aufzubauen. Er sollte mächtigeÖsterreicher rekrutieren und sie glauben machen, dass sie damit ihre freimaurerischen Überzeugungen verbreiten konnten. In Wirklichkeit sollten sie als preußische Spione herhalten.»
    «Und Wolfgang wusste davon.»
    «Als die Anweisungen ergingen, befand er sich mit Lichnowsky in Berlin. Ja doch, Wolfgang wusste davon.» Swieten blickte zum Kanzleibuch mit den Details über den Fall meines Bruders. «Er drohte damit, die pro-preußische Loge publik zu machen, sollte Lichnowsky ihm nicht dabei helfen, seine
Grotte
zu gründen.»
    «Aber Lichnowsky …» Ich roch den Duft der spanischen Zigarren des Prinzen, der nach seinem Treffen mit Swieten immer noch in der Luft des Büros hing.
    «Lichnowsky konnte nicht zulassen, dass die
Grotte
gegründet wurde. Er rekrutierte Männer für seine preußische Loge und gab die Namen an Pergen weiter. Hätte er Wolfgangs neue Loge unterstützt, dann hätte Pergen geglaubt, dass er ohne Wissen des Polizeiministers weitere preußische Spione engagierte.»
    «Trotzdem hat Pergen gestanden. Er hat gesagt, dass er Wolfgangs Ermordung befohlen hat.»
    «Lichnowsky hat Pergen von der
Grotte
berichtet. Damit Pergen ihn nicht verdächtigte. Er denunzierte Wolfgang als preußischen Agenten und geheimen Gründer einer illegalen Freimaurerloge. Aus diesem Grund ordnete Pergen Wolfgangs Ermordung an. Aber Lichnowsky fädelte sie ein, um sich selbst zu schützen.»
    Swieten streckte über dem Diwan die Hand aus und drückte meine Finger. Seine Miene war hoffnungsvoll und zaghaft zugleich.
    Ich entzog ihm meine Hand, ging ans Fenster und legte die Handfläche gegen die Scheibe. Meine Haut schien am eiskaltenGlas festzufrieren. «Die Intrigen der Hauptstadt waren nichts für meinen armen, naiven Bruder», sagte ich. «Sie sind auch nichts für mich.»
    Swieten stand hinter mir. Ich spürte sein Zögern, bevor er sprach. «Gibt es in der kaiserlichen Stadt denn gar nichts für dich?»
    Selbst wenn sich der Nebel vom Hof des Ständehauses gehoben hätte, hätte ich durch die Tränen, die meine Augen trübten, dennoch nichts erkennen können. «Gottfried, ich muss zurück zu meinen Kindern.»
    Seine Hand lag auf der nackten Haut meiner Schulter und griff mir ins Nackenhaar. Ich erstarrte. Ich wartete auf seinen Befehl, wie ich mein Leben lang auf Anweisungen gewartet hatte. Lange Zeit blieb seine Hand da liegen.
    «Ich verstehe», sagte er.
    Eben weil er meine Entscheidung akzeptierte, fiel es mir schwer, meine Entschlossenheit durchzuhalten. «Auch wenn wir beiden voneinander getrennt sind, werden wir zusammen seine Musik spielen», sagte ich.
    «Für mich ist es mit der Musik vorbei.» Sein trauriger Blick richtete sich auf meinen Hals mit dem Bernsteinkreuz, das er mir geschenkt hatte. «Ich glaube sowieso, dass er nur für dich komponiert hat.»
    Ich dachte an das, was Magdalena auf dem Friedhof zu mir gesagt hatte – ihre Lösung von Wolfgangs Rätsel. Ich wusste, dass Swieten recht hatte. In Wien wartete die Leidenschaft für den Baron auf mich. Aber die Welt würde uns bald mit ihrer Verdorbenheit beschmutzen und unsere Liebschaft kitschig erscheinen lassen. Was mir an Liebe blieb, lag in Wolfgangs Musik.
    Ich hastete die Treppe hinunter und bestieg die Kutsche. Der Nebel ließ meine Tränen gefrieren.
    Als ich in die Kutsche stieg, wandte Lenerl den Blick ab.Wenn sie nach unserer Rückkehr ins Dorf über mich klatschen würde, wären von allen seltsamen Dingen, die sie zu berichten hätte, meine Tränen das Geringste. Ich ließ ihnen freien Lauf.
    Der Kutscher fuhr im Kreis zurück zum Eingang. Die Hufe der Pferde klapperten dem Torbogen
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