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Mozarts letzte Arie

Mozarts letzte Arie

Titel: Mozarts letzte Arie
Autoren: Matt Beynon Rees
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hatte.
Ich kann nicht mehr,
hatte sie ihn sagen hören,
Pergen weiß es.
Ich erinnerte mich an seinenGesichtsausdruck, als er mir von dem Mörder erzählte, den man auf dem Stadtplatz gerädert hatte: wütend und zugleich machtlos wie jemand, der sich ertappt weiß. Mir dämmerte, dass er unter gewaltigem Druck gestanden haben musste – ein Druck, der von ihm genommen wurde, als Pergen seine Stellung verlor.
    «Ich weiß von Graf Pergens Entlassung», sagte ich. «Mir war aber nicht bekannt, dass ein Nachfolger ernannt worden ist.»
    Was hätte Lichnowsky gefährlich werden können, solange Pergen im Amt war?
    Der Prinz grinste selbstgefällig. Das Grinsen eines notorischen Lügners, der für seine Lügen auch noch belohnt worden war.
    Lügen. Belohnung. Das Wesen seiner Lüge war mir so offensichtlich wie die Zähne in seinem breiten Grinsen. «Bei der Berliner Mission mit Wolfgang ging es nicht um Ihre Freimaurerloge», sagte ich. «Sie reisten als Geheimagent.»
    «Als Agent?» Er kicherte. «Für wen denn?»
    «Nicht für Österreich, weil die Mission dazu führte, dass Sie Pergen fürchten mussten.»
    «Wie um alles in der Welt kommen Sie darauf, dass ich ihn fürchten …»
    «Sie haben für die Preußen gearbeitet. Aber Pergen kam dahinter.» Warum sonst hätte Lichnowsky dem preußischen Botschafter sagen müssen, Pergen wisse alles? Paradis hatte den Besuch eines Spions bei seinem Herrn belauscht.
    Der Prinz grinste süffisant. «Sie sollten Ihre Improvisationen aufs Klavier beschränken, Madame. Ich habe jedenfalls nichts zu befürchten.»
    «Der neue Polizeiminister mag Ihr Freund sein. Aber ganz gleich, wer diese Position ausfüllt, ein preußischer Agent wird stets sein Feind sein.»
    «Sehe ich aus wie ein Mann, der sich fürchtet?»
    Ich zögerte. Hatte ich mich in ihm getäuscht?
    «Nun, sehe ich so aus?», sagte er.
    Ich schüttelte verwirrt den Kopf. «Sie haben für die Preußen gearbeitet. Und trotzdem fürchten sie die Österreicher nicht.»
    Er strich sich mit dem Daumen an den Lippen entlang. «Was nur bedeuten kann –? Madame?»
    Schockiert begriff ich, wie er der Gefahr entronnen war. «Sie müssen auch auf der Gehaltsliste unserer kaiserlichen Geheimpolizei stehen. Ein Doppelagent.»
    Sein Lächeln wurde noch breiter.
    «Wem gegenüber sind Sie denn nun wirklich loyal?», sagte ich. «Preußen gegenüber? Oder Österreich?»
    «Wer erfreute sich Wolfgangs Loyalität?»
    «Mein Bruder war kein Spion.»
    «Das meinte ich nicht. Vor vielen Jahren hat er sich geweigert, dem Erzbischof von Salzburg als Musiksklave zu dienen. Er ging nach Wien, um unabhängig zu sein. Jedem, der ihn dafür bezahlte, schrieb er ein Liedchen.»
    Ich verstand, was er meinte. Lichnowsky lavierte zu seinem eigenen Vorteil zwischen Preußen und Österreich. Er diente keinem Herrn. Aber ich wehrte mich gegen seinen Vergleich. «Wolfgangs Loyalität galt der Musik.»
    «Erklären Sie das mal dem armen Franz Hofdemel.»
    Magdalena. Als er starb, begriff ihr Mann, dass er im Glauben, von ihr mit Wolfgang betrogen worden zu sein, düpiert worden war. «Dieses niederträchtige Gerücht haben Sie lanciert», sagte ich.
    «Hofdemel war reizbar, leicht zu provozieren. Er vertraute Wolfgang als seinem Logenbruder. Jedermann konnte sehen, dass er gewalttätig werden würde, wenn man diese Bindung zerstörte.»
    Die gleiche Loge. Hofdemel und Gieseke, Wolfgang und Lichnowsky. Alle Toten und dieser Lebende standen in Beziehung zu Pergen, der vor mir zugegeben hatte, Wolfgangs Mörder gewesen zu sein.
    Die Augen des Prinzen gehörten nicht jenem Häftling, den man schließlich aufs Rad gebunden hatte. Sie waren kalt und sadistisch wie die des Henkers, der dem Verurteilten die Knochen zertrümmerte.
    «Sie haben Hofdemel glauben lassen, dass mein Bruder eine Liebschaft mit Magdalena unterhielt», sagte ich. «Also hat der eifersüchtige Narr Wolfgang vergiftet.»
    Pergen hatte den Befehl erlassen, Wolfgang zu töten. Aber Lichnowsky hatte ihn ausgeführt.
    Ich taumelte auf der Treppe und streckte die Hand aus, um die Balance zu halten. Ich befand mich in Gegenwart des Mannes, der die Ermordung meines Bruders eingefädelt hatte.
    Lichnowsky näherte sich mir. Sein Gehstock klickte auf den Marmorstufen. «Madame Berchtold, Sie werden ohnmächtig», sagte er.
    Aus seinem Mund klang mein Ehename wie blanker Hohn. Er sprach ihn mit starker Betonung aus, als wollte er damit sagen, dass Mozarts Tod mich nichts anginge, mich, für die seit
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