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Zwischen Mond und Versprechen

Zwischen Mond und Versprechen

Titel: Zwischen Mond und Versprechen
Autoren: Shannon Delany
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P r o l og
    R io erstarrte unter meiner Berührung und stampfte mit ihrem glänzenden Huf auf den Boden.
    » Was ist los, meine Schöne? « , fragte ich, immer noch mit den wirren Strähnen ihrer tiefschwarzen Mähne kämpfend. Sie schnaubte und ihre Nüstern färbten sich blutrot. Sie schüttelte den Kopf, ihr langer Hals schlug gegen die Bürste, die mit einem dumpfen Knall an die gegenüberliegende Wand prallte. » Rio! «
    Ohne meine Hand von ihrem Hals zu nehmen, ging ichum sie herum und bückte mich, nach der Bürste suchend. Einen Augenblick lang herrschte eine unheimliche Stille– Totenstille. Und dann schossen meine beiden Hunde, Maggie und Hunter, die eben noch mit ihren Schnauzen auf einem Futtersack gedöst hatten, in die Höhe. Sie stürmten zum Scheunentor und brachen in ein Höllengebell aus.
    Die anderen Pferde wieherten, in ihren Stimmen schwangen Furcht und zugleich Missmut. Hufe stampften auf dem Boden, zertraten knisternd das Stroh.
    » Was zum…? « Meine Finger strichen über Rios samtige Nase. » Sch. Es ist gut, meine Schöne. « Ich schlüpfte aus ihrer Box. Die feinen Härchen auf meinen Armen stellten sich auf, als wäre die Herbstluft von Blitzen aufgeladen. » Es ist gut « , wiederholte ich und ging zu Maggie und Hunter hinüber.
    Doch die Hunde waren nicht dieser Meinung. Ich drängte mich zwischen sie, fuhr mit den Händen unter ihre Halsbänder und spähte durch den schmalen Spalt zwischen den riesigen Scheunentoren. Im Hof war es merkwürdig still, als würde alles gleichzeitig den Atem anhalten, um ängstlich darauf zu lauschen, was oder wer sich durch die Dunkelheit schlich. Die Hunde zerrten scharrend und knurrend an ihren Bändern.
    Dort, wo die Flutlichter im Hof die Fläche zwischen der ersten Scheune und dem Wohnhaus erhellten, dehnte sich eine unnatürlich weiße Fläche wie eine breite Narbe vor mir aus. Noch nie war mir dieses Stück so kahl und hässlich vorgekommen– und auch nicht so weit. Ein kühle Brise wehte gedämpfte Fernsehgeräusche durch die Nacht. Dad sah sich die Wiederholungen einer albernen TV -Show an. Ob er uns durch das Fernsehgeplärre hindurch hören würde, wenn wir Hilfe bräuchten? Die Antwort auf diese Frage erwischte mich eiskalt, als Dads Lachen die plötzliche Windstille durchlöcherte und er den Ton aufdrehte.
    Ich sah auf die Hunde. Mist. Ich war allein und hatte nur Dick und Doof an meiner Seite.
    Mein Blick schweifte von den heimelig erleuchteten Fenstern unseres Hauses über den Hof bis zu den riesigen Flutlichtern. Ich flüsterte den Hunden beruhigende Worte zu– versprach ihnen alle möglichen Leckerbissen. Nanu. Normalerweise schwirrten ganze Mottenschwärme im gleißenden Scheinwerferlicht und Fledermäuse schossen auf der Jagd nach Abendessen hin und her. Doch nicht an diesem Abend. Kein Windhauch regte sich, nur die Luft schien durch meine eigene Anspannung wie elektrisch aufgeladen.
    Ich schluckte. Ein Schatten huschte durch mein Sichtfeld und verdeckte für einen Augenblick das Licht. Ich stolperte nach hinten. Meine Hände rutschten aus den Hundehalsbändern. Das Bellen von Maggie und Hunter verschmolz zu einem einstimmigen dünnen Wimmern. Ich packte eine Mistgabel, die neben mir an der Wand lehnte, und hielt sie schützend vor mich.
    Etwas rempelte gegen die Außenseite der Scheunentür und ließ sie erbeben. Das Wesen schnüffelte wie ein Jagdhund, der Witterung aufnimmt. Seine Schnauze, die fast so breit wie meine Hand und so schwarz wie sein eigener Schatten war, drängte sich in den Türspalt, seine Nüstern weiteten sich, als wollten sie unseren Geruch einsaugen. Ich erkannte nur ein Stück rötliches Fell. Die Hunde klemmten ihre Schwänze ein und wichen zurück. Sie zitterten am ganzen Körper. Ich griff die Mistgabel fester, bereit, mich zu verteidigen.
    Viel beängstigender jedoch als die große Schnauze (die sich, wie ich feststellen musst, genau auf der Höhe meiner Brust befand), waren die Zähne, die zwischen den ledrigen, dunkeln Lippen hevorblitzten. Sie waren lang und spitz und ließen keinen Zweifel daran, wozu sie bestimmt waren.
    Das Untier schnaubte, und dann, so plötzlich wie es aufgetaucht war, war es wieder verschwunden. Ich schnappte nach Luft, zitterte wie meine Hunde, sah auf die Mistgabel in meiner Hand und musste plötzlich lachen. Jetzt fehlte nur noch die Fackel und ich hätte in Frankenstein mitspielen können. Was hatte ich mir nur eingebildet? Dass da draußen ein Monster auf mich
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