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Zwischen Mond und Versprechen

Zwischen Mond und Versprechen

Titel: Zwischen Mond und Versprechen
Autoren: Shannon Delany
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ihm los? Wollte er nichts mit mir zu tun haben?
    » Also, äh. Was sollte der Cop da? « Wahrscheinlich war ich zu weit gegangen, ausgerechnet das heikelste Thema anzusprechen.
    Pietr ging einfach weiter. » Wir sind letztes Jahr nach Europa gereist, ohne der Schule Bescheid zu geben. «
    » Ach so. « Mir wurde irgendwie schwummrig bei der Vorstellung, einfach so nach Europa zu reisen. » Dann hast du sozusagen die Schule geschwänzt– ziemlich lang sogar. «
    » Ein paar Monate. «
    » Oh. «
    Wir gingen eine Weile schweigend nebeneinander durch den langen Korridor mit den großen Fenstern, der zu den Unterrichtsräumen der Englischabteilung führte. Man hörte nur das Quietschen meiner Sohlen auf den Fliesen. Seine Schuhe gaben keinen Ton von sich, sodass ich mehrmals zur Seite schielte, um mich zu vergewissern, dass er noch neben mir ging.
    Ich hoffte, dass ich nicht plötzlich einen Psychoschub erlitten und mir das Treffen in Maloys Büro nur eingebildet hatte. Obwohl, warum sollte ich mir in einem Psychoschub ausgerechnet jemanden wie Pietr heraufbeschwören? Vielleicht war das der springende Punkt. Woher soll man wissen, wie es ist, wenn man durchdreht? Oder wann genau so etwas passiert? Alle erwarteten, dass es passieren würde, und irgendwann tat es das eben. Wenigstens bei jemandem wie mir.
    Um das Schweigen zu brechen, fragte ich: » Woher kommst du? « Wenn er von sich aus nichts sagen wollte, hätte ich vielleicht lieber den Mund halten sollen. Aber ich wollte ihm eine Chance geben. Neu an einer Schule zu sein, war zwangsläufig schwierig. Mit einem Polizisten im Schlepptau… und dann auch noch ohne Freunde– nicht einmal Bekannte–, machte es nicht gerade leichter.
    Er sah mich von der Seite an. » Farthington. « Es klang, als würde ihn selbst dieses eine Wort Überwindung kosten.
    Ich blieb mitten auf dem Flur stehen. » Wow. Da wäre ich garantiert auch weggegangen. Ihr hattet doch diese verrückten Wolfsüberfälle. «
    Er nickte.
    » Bevor ich in den Nachrichten davon hörte, hatte ich keine Ahnung, dass es bei uns noch Wölfe gibt. Also, manchmal hört man von tollwütigen Waschbären, die sichauf eine Veranda verirren und Leute beißen, aber Wölfe? «
    Er schwieg.
    » Ist der Wolf eigentlich erwischt worden? «
    » Sie glauben schon. «
    Aus Farthington und in Begleitung eines Cops? Wer weiß, was dahintersteckte? » Ich mach bei der Schulzeitung mit– ich würde dich gern interviewen. «
    » Nein, danke « , erwiderte er sehr bestimmt.
    Mein Instinkt war geweckt. Selbst die Reporterin einer kleinen Schülerzeitung muss aktiv werden, wenn ein Mitschüler vom Schauplatz des blutigsten, grausigsten, geheimnisvollsten und seltsamsten Wolfsüberfalls des Jahrhunderts kommt und nicht darüber reden will. Es war eine absolute Sensationsstory. Und Pietr vermasselte mir einfach die Chance, den Artikel zu schreiben– so ein Artikel wäre wahrhaftig aufregender als » Der Kampf der Schüler mit dem neuen Katalogsystem «.
    Okay. Er hatte meine Anfrage über den Geisterwolf von Farthington abgelehnt. Aber ich würde es auf einen zweiten Versuch ankommen lassen.
    Irgendetwas an ihm machte mich kribbelig, nicht nur, weil er aus einer Gegend kam, wo wirklich noch etwas passierte. Wenn man in Junction lebte, konnte man den Eindruck bekommen, dass überall sonst die Post abging. Ich wollte auch an einem aufregenden Ort leben– na ja, nicht unbedingt in Farthington, denn alleine die Vorstellung von einem tollwütigen Ungeheuer angefallen zu werden, trieb mir den Angstschweiß auf die Stirn. Mich schauderte, als ich an den seltsamen Vorfall bei den Ställen in der vergangenen Nacht dachte.
    Ich konzentrierte mich wieder auf das aktuelle Problem. Pietr. Es war nicht so, dass er schüchtern gewesen wäre– ich war früher mal schüchtern gewesen und kannte diesesGefühl genau. Schüchtern traf auf seine Haltung nicht zu.
    Ich schielte zu ihm hinüber und versuchte herauszufinden, was sein Problem sein könnte. Er schaute sonst wo hin, nur nicht zu mir. Er sah ziemlich gut aus mit seinem schwarzen, widerspenstigen Haar, ein paar Strähnen hingen über seine dunklen, fast nachtblauen Augen. Im Vergleich zu Derek (dessen Steckbrief ich auswendig kannte), schätzte ich ihn auf ungefähr eins achtundsiebzig oder so. Wahrscheinlich würde er noch ein gutes Stück wachsen, wenn ich an die anderen Familienmitglieder dachte, die ich eben gesehen hatte.
    Er sah nicht aus, als hätte er einen Grund, etwas zu
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