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Zwischen Mond und Versprechen

Zwischen Mond und Versprechen

Titel: Zwischen Mond und Versprechen
Autoren: Shannon Delany
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Mantel oder Hut Ausschau, der meinem Dad gehören könnte. Ich wollte nämlich lieber gleich verschwinden, bevor so ein Klugscheißer mit Diplom wieder einmal befand, dass es das Beste für mich sei, mit ihm über meine geheimsten Gefühle zu sprechen. Aber von Dad keine Spur.
    An der Wand hing ein Plakat, wahrscheinlich aus einer Kunst- AG . Es hatte die hohe Selbstmordrate von Jugendlichen auf der Eisenbahnstrecke zwischen Farthington und Junction zum Thema. Könnte es mir jemals so schlecht gehen, dass ich mich freiwillig vor einen herannahenden Zug stürzen würde? Die Spannung fiel von mir ab. Nein. Selbstmordgefährdet war ich nicht. Ich hatte das Schlimmste durchgemacht, was man sich vorstellen kann, und war immer noch da. Ich atmete aus und merkte erst jetzt, dass ich die ganze Zeit die Luft angehalten hatte.
    Die Sekretärin blätterte in einer Illustrierten. Auf dem knallroten Titelblatt prangten Überschriften wie » Welcher Baum passt zu Ihrem Lover? « und » Wenn seine Ex Psychoterror macht « . Ich räusperte mich. Sie sah hoch und sagte: » Ah, Jessica « , und zeigte mit ihrem sorgfältig manikürten Zeigefinger auf das Besprechungszimmer, » Mr Maloy erwartet dich. «
    » Super. «
    Sie lächelte mich mit großen ausdruckslosen Augen an. Kein Hinweis. Wahrscheinlich war sie die ideale Besetzung für den Empfang. Selbst wenn ihr Kugeln um die Ohren fliegen würden, wäre sie die Ruhe selbst. Sie würde sie wahrscheinlich nur dann registrieren, wenn sie ihr die Frisur versauten.
    Ich klopfte an die Tür des Besprechungszimmers. Ein Schauer lief mir über die Arme. Ich war schon einmal hier gewesen, hatte auf einem der vielen unbequemen Plastikstühle gesessen, die in einem engen Kreis aufgestellt worden waren, und hatte mir von Betreuern und Lehrern anhören müssen, dass ich positiv in die Zukunft blicken sollte. Dass alles wieder gut werden würde, wenn ich mich erst wieder gefangen hätte… Dass sie sich um mich kümmern und mich unterstützen würden… Es war total schrecklich gewesen. Es war mir alles so egal. Sie wurden dafür bezahlt, solche Sachen zu sagen. Waren wahrscheinlich vertraglich dazu verpflichtet.
    Außerdem fand ich es schrecklich, wenn man mich zum Weinen brachte. Ich wusste, dass ich stark genug war, mit dem Geschehenen fertigzuwerden. Ohne fremde Hilfe.
    Als die Tür aufging, erblickte ich eine Gruppe von Menschen, die ich nicht zuordnen konnte. Außerdem den Rektor unserer Schule und einen Polizisten. Komisch, aber ich war trotzdem erleichtert. Zumindest keine Krisenintervention– die Leute waren offensichtlich nicht wegen mir gekommen. Ich war nur ein Gast.
    » Miss Gillmansen « , grüßte Mr Maloy und erhob sich von seinem Platz am anderen Ende des Tischs.
    Der Polizist lehnte an der Wand und nippte an einem Kaffeebecher.
    Die anderen drehten sich zu mir um. Sie waren allesamt groß und gut gebaut, hatten hohe Wangenknochen und eine markante Kinnpartie– auch das Mädchen, das bei dendrei Männern stand. Sie hatten dichtes schwarzes Haarund funkelnde Augen– und sie trugen Namensschilder.
    » Das sind die Rusakovas « , erklärte Mr Maloy auf die Gruppe deutend.
    Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie der Cop seinen Becher absetzte und eine Broschüre von der Fensterbank nahm. Vielleicht war es purer Zufall, dass er da war. Einfach ein miserables Timing– wie nicht anders zu erwarten von unserer Highschool.
    Ich wandte mich wieder den Rusakovas zu. Ich lächelte aufmunternd.
    Keine Reaktion.
    Mr Maloy kam um den Tisch, schielte ziemlich unverhohlen auf die Namensschilder und zeigte dann auf einen von ihnen. » Das ist Peter Rusakova. Er geht in die elfte Klasse. Ein Junior, genau wie Sie. «
    Ich behielt mein Lächeln wie eine Maske auf, innerlich aber stöhnte ich. Darum ging es also. » Hallo, Peter. « Meine Stimme klang wenig begeistert. Ich gehörte nicht zu der Sorte Mädchen, die gerne die Betreuung von Neuen übernahm.
    Mr Maloy schob seine Brille hoch und warf mir einen warnenden Blick zu. » Das ist Peters Stundenplan. Zeigen Sie ihm die Schule und sorgen Sie dafür, dass er nicht zu spät kommt. «
    Der Polizist sah mich an und sagte dann bedächtig zu Peter: » Hast du das verstanden, Rusakova? Nicht zu spät kommen. «
    Sein Tonfall jagte mir einen Schauer über den Rücken.
    Der Älteste der Gruppe setzte ein breites Lächeln auf und legte seinen Arm um Peters Schulter. » Natürlich wird er nicht zu spät kommen, Officer Kent « , versicherte er. »
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