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Verraten

Verraten

Titel: Verraten
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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Drei Jahre zuvor
     
    Er hatte beim Schießtraining schon mal besser abgeschnitten, aber dennoch war Harry an jenem Abend recht zufrieden mit sich. Er winkte den Leuten an der Bar zu, die er als seine Freunde ansah, und trat hinaus in die Dunkelheit. Die Straße war verlassen. Er zog die Waffe aus dem Schulterholster. Eine Heckler & Koch Mark 23 SOCOM. Die Pistole glänzte matt im Licht der Straßenlaternen. Sie war voll geladen. Zwölf blanke.45 ACP Patronen warteten ordentlich in einer Reihe darauf, dass er den Abzug betätigte.
    Aber er durfte nicht.
    Nur wenn er und seine Freunde noch ein Weilchen allein zurückblieben, nachdem die Sportschützen bereits nach Hause gegangen waren, wurden die lästigen Regeln über Bord geworfen, und es ging so richtig zur Sache.
    Vor einem Monat hatte er seine neue Waffe zum ersten Mal herumgezeigt. Die Erinnerung daran brachte ihn zum Lächeln.
    Sie hatten sich um ihn geschart. Sich im Stillen gefragt, ob er wirklich der war, der er vorgab zu sein. Hatten ihn plötzlich mit anderen Augen gesehen. Kein Wunder, denn es war äußerst schwierig, an ein solch edles Stück wie diese HK heranzukommen.
    Die Mark 23 war in den 1990er-Jahren für die Spezialeinheit des amerikanischen Militärs entwickelt worden, das United States Special Operations Command, kurz SOCOM. Produziert wurde sie in Deutschland, im Auftrag des Pentagons. Inzwischen war die Waffe schon seit geraumer Zeit bei den Navy Seals und den Rangers in Gebrauch - den richtig harten Jungs.
    Und jetzt besaß auch Harry eine.
    Er drehte die Waffe in der Hand hin und her, fuhr mit dem Daumen über die eingravierten Buchstaben und Ziffern auf dem Lauf. Er hätte sie im Schlaf aufsagen können. Er betrachtete das Gewinde an dem verlängerten Lauf, befühlte die Vertiefungen im Gehäuse. Man konnte alles Mögliche an der Pistole anbringen, Schalldämpfer, Taschenlampe, Infrarotlaser. Einen Schalldämpfer hatte er bereits aufgetrieben. Ein schweres Ding, siebenhundert Gramm, mit einer ziemlich unpraktischen Länge von vierundzwanzig Zentimetern. Mit Schalldämpfer besaß die Waffe eine Gesamtlänge von fast fünfzig Zentimetern und wog mit vollem Magazin über zwei Kilo. Da hatte man wenigstens etwas in der Hand. Kein Vergleich zu der Glock 17, für die er einen offiziellen Waffenschein besaß und die zu Hause in seinem Tresor verstaubte. Damit lief doch jeder Bauerntrampel herum.
    Er steckte die HK zurück in sein Schulterholster und begann zu pfeifen. Obwohl es kalt war, ging er langsam. Heimlich hoffte er, dass ihn jemand belästigen würde. Dass einer von diesen Junkies versuchen würde, ihn auszurauben. Dann würde er in einer einzigen fließenden Bewegung seine HK ziehen - und dann würde er mal gerne das Gesicht des Typen sehen, der meinte, er könne ihm etwas anhaben! Tja, der hätte ihn wohl ganz schön unterschätzt. Wie ihn so viele unterschätzten. Zu Hause und bei der Arbeit.
    Dass er nicht gerade markig aussah, wusste er selbst. Mit gut hundert Kilo bei knapp einem Meter siebzig und einer beginnenden Glatze liefen einem weder die Frauen in Scharen hinterher noch wichen andere Männer respektvoll vor einem zurück. Konnte man aber im rechten Moment eine Waffe ziehen, sah die Sache schon anders aus. Dann war man wer, dann wurde man respektiert. Allein die Vorstellung war erhebend. Er blickte sich um, doch weit und breit war kein Angreifer in Sicht. Schade.
    Er suchte in seiner Jackentasche nach einem Marsriegel, den er auf dem Hinweg in einer Imbissbude gekauft hatte. Er zögerte einen Moment. Seine Frau meinte, er solle Diät halten. Das hatte er sich auch fest vorgenommen. Aber damit konnte er ein andermal anfangen. Er riss die Verpackung auf, warf das Papier achtlos auf die Straße und schob sich fast den ganzen Riegel auf einmal in den Mund. So schmeckten sie ihm am besten.
    Er hatte seinen Verfolger nicht kommen hören und so dauerte es einen Moment, bis er begriff, dass der plötzliche Druck auf seiner Kehle von einem Arm verursacht wurde. Der Arm gehörte zu einem Körper, der größer war als seiner. Und muskulöser. Der Druck war so stark, dass er schwarze Flecken sah. Er bekam kaum noch Luft. Bei dem Versuch, Atem zu schöpfen, fiel ihm der Schokoriegel aus dem Mund und hinterließ eine braune, glitschige Spur auf seiner hellblauen Jacke, bis er über die dickste Stelle seines Bauches hinwegrutschte und mit einem leisen Plumps vor ihm auf dem Bürgersteig landete.
    Er spürte den Lauf einer Pistole am
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