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Morgen ist ein neuer Tag

Morgen ist ein neuer Tag

Titel: Morgen ist ein neuer Tag
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wie es heiß durch seinen Körper rann. Jetzt kommt sie und schreit auf … kann es nicht glauben und wird weinen …
    Im Inneren des Hauses ging eine Tür, Fritz Bergschulte drehte sich herum, die Tür zum Garten wurde geöffnet – und ein mittelgroßer, eleganter Herr in einem weiten, seidenen Morgenmantel stand auf den Stufen, die hinab zu der Wiese führten. Er betrachtete den schmutzigen, kahlgeschorenen und zerrissenen Mann in seinem Garten mit einem längeren, fragenden, abschätzenden Blick und näherte sich dann Fritz Bergschulte.
    Dieser hatte die Arme, die er leicht zum Empfang Linas erhoben hatte, sinken lassen und stand starr, einem Steinblock gleich, inmitten des Gartens, und eine fahle, totenähnliche Blässe überzog sein verhärmtes Gesicht und gab ihm das Aussehen eines lebenden Leichnams.
    Der Herr im Seidenmantel blieb drei Schritte vor Fritz Bergschulte stehen und nickte grüßend mit dem Kopf.
    »Dr. Schrader«, sagte er mit einer tiefen, sonoren Stimme. »Mein Garten interessiert Sie?«
    »Ihr Garten?« stotterte Bergschulte und schaute sich um.
    »Das ist hier doch Ulmenstraße 14?«
    »Allerdings.«
    »Und dieses Haus …«, er schluckte … »dieses Haus ist doch mein Haus …«
    Dr. Arnulf Schrader gab darauf keine Antwort. Er schien ein wenig peinlich berührt zu sein und zeigte auf die offenstehende Tür.
    »Bitte, kommen Sie doch herein …«
    Fritz Bergschulte hob die Hand, die schmutzige, rissige, in Sibirien und dem Ural abgeschundene Hand und wehrte schwach und zitternd ab.
    »Wo ist meine Frau?« fragte er. »Wo ist Lina?«
    »Lina?« Dr. Schrader zuckte die Schultern und strich sich über die gepflegten Haare, auf deren graumeliertem Scheitel die Sonne lag. »Verzeihen Sie, mein Herr, ich bedauere, Ihre Frau nicht zu kennen.«
    »Aber … aber …« Fritz Bergschulte riß die Mütze vom kahlen Kopf und schaute wie irr um sich. »Das ist doch mein Haus, mein Garten. Ich habe es doch selbst gebaut. Ich bin Bergschulte«, stieß er hervor. »Fritz Bergschulte. Und ich will wissen, was mit meiner Frau und meinem Kind geschehen ist.«
    Dr. Schraders Augen wurden groß, dann traten in seinen Blick Entsetzen, Mitleid, Schmerz und Trauer. Er legte dem Heimkehrer die Hand auf die Schulter und wagte kaum, ihm in die Augen zu sehen.
    »Herr Bergschulte«, sagte er leise. »Sie sind zurückgekommen. Das ist ja schrecklich …«
    »Das ist schrecklich?« stammelte Fritz.
    »Verstehen Sie mich nicht falsch. Seit drei Jahren sind Sie für tot erklärt. Ihre Frau hat dieses Haus an mich verkauft und ist nach Vlotho verzogen. Sie war gezwungen dazu, sagte sie mir. Mehr weiß ich auch nicht.«
    »Lina? Das Haus verkauft? Nach Vlotho?« Fritz Bergschulte lehnte sich gegen den Stamm eines Baumes und bedeckte die Augen mit beiden Händen. »Wie konnte sie das tun!«
    »Sie müssen das verstehen«, sagte Dr. Schrader. »Jahrelang keine Nachricht, immer warten … warten … Man hofft, man setzt die Suchdienste in Bewegung, man unternimmt alles, um zu erfahren, ob der Vermißte noch lebt. Und immer mehr reift die schreckliche Gewißheit: Alle sind zurückgekehrt … die Kameraden, die Freunde, die Nachbarn – nur er, auf den man wartet, er nicht! Und er schreibt nicht …«
    »Ich durfte nicht schreiben!« stieß Fritz Bergschulte hervor. »Die Briefe, die ich schrieb, wurden drei Kilometer vom Lager verbrannt. Das habe ich erst jetzt erfahren. Und dann sagte man uns: Seht, eure Angehörigen schreiben euch nicht. Für die seid ihr tot, seid ihr abgemeldet, einfach ausgelöscht. Bleibt hier im Paradies der Werktätigen, tretet in die Fabriken und die Brigaden der Arbeiter ein, werdet Kolchosen- oder Politmänner. Eure Heimat schweigt, weil sie euch haßt, euch Soldaten. Aber ich habe an Lina geglaubt, war davon überzeugt, daß sie auf mich wartet … bis heute habe ich das geglaubt … und Lina verkauft das Haus …«
    Dr. Schrader blickte zu Boden. Ob ich es ihm sage, fragte er sich. Ob ich es wagen kann, ihm den letzten Stoß zu versetzen, die ganz große Enttäuschung zu bereiten, die ihn in der Heimat erwartet? Er war sich unschlüssig, wie er es ihm beibringen sollte.
    »Es ist da noch etwas«, meinte er zögernd. »Ihre Frau wußte nichts anderes, als daß Sie tot sind.«
    »Aber ich lebe doch!« versetzte Bergschulte. »Ich stehe doch hier! Ist denn die Welt irr?«
    »Sie stehen hier. Ja. Aber vier Jahre zu spät. Vor vier Jahren erhielt Ihre Frau die Nachricht, daß Sie im Ural an Typhus
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