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Morgen ist ein neuer Tag

Morgen ist ein neuer Tag

Titel: Morgen ist ein neuer Tag
Autoren: Heinz G. Konsalik
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setzte sich auch.
    »Ja. Ich bin aus Minden. Habe dort eine nette, hübsche Frau, die Lina, und einen Jungen. Warten Sie mal –«, er zählte an den Fingern nach – »15 Jahre muß der Bengel jetzt sein. Als ich ihn zum letzten Mal sah, konnte er gerade ›Papa‹ sagen.« Er lachte leise vor sich hin und rieb sich die Hände. »Was werden die staunen, wenn ich plötzlich vor ihnen stehe, – die Lina und der Peter! Die Lina fällt bestimmt in Ohnmacht! Sie war immer so zart, und ein wenig am Herzen hatte sie es auch.«
    »Ihre Frau weiß nicht, daß Sie kommen?«
    Der Fremde schüttelte den Kopf. »Woher denn? Zwölf Jahre habe ich schweigen müssen, – Postverbot und solche Scherze. Nun überrasche ich sie.« Er schaute dem Qualm seiner Zigarette nach und fuhr fort: »Ein treues Mädchen, meine Lina, das sage ich Ihnen. Ich bin sicher, daß sie die ganzen Jahre brav auf mich gewartet hat, auch wenn ich nicht geschrieben habe … sie hat gewartet. Das weiß ich. Das hat man so im Gefühl, wenn man im Ural bis zum Bauch im eisigen Wasser steht. Das hält einen aufrecht, das gibt einem Mut und Kraft … Wir wären verloren gewesen, wenn wir nicht diesen Glauben an die Heimat gehabt hätten …«
    Der Stationsvorsteher nickte und schüttete ein Gläschen Kognak ein, das der Fremde gierig schlürfte. »Anders als Wodka oder Knollenschnaps«, bemerkte er schmatzend.
    »Ich wollte mit Ihnen sprechen«, sagte der Beamte ein wenig stockend. »Sie sind erst wenige Stunden in Deutschland. Es ist nicht mehr die Heimat, die Sie verließen. Hunderttausende Häuser hat man zerbombt, Millionen sind obdachlos geworden. Millionen waren auf der Flucht vor Flammen und Hunger. Und auch Minden ist nicht verschont geblieben …«
    »Das weiß ich.« Der Fremde nickte. »Aber der Lina ist nichts passiert, das fühle ich. Und eigentlich muß sie auch wissen, daß ich lebe. Ich habe ihr nämlich vor 4 Jahren eine Nachricht zukommen lassen. Da ist ein Freund von mir entlassen worden, weil er krank wurde. Heinrich Korngold heißt er und wohnt auch in Minden. Er hat ihr bestimmt mitgeteilt, daß ich lebe, und das wird ihr Mut gegeben haben, zu warten …«
    Er verstummte und gab sich inneren Betrachtungen hin. Er sah das Haus vor sich, etwas außerhalb der Stadt, – er hatte es sich selbst gebaut, denn er war ja Maurer und wußte, wie ein nettes, gemütliches Heim aussehen mußte, in dem man mit einer jungen, hübschen Frau glücklich sein konnte. Das Haus hatte einen kleinen Rosengarten und einen größeren Gemüsegarten mit ein paar Apfel- und Kirschbäumen, es hatte grüne, glänzende Schlagläden und einen halbhohen Zaun vor dem Kiesweg, der zur Haustüre führte. Und innen war alles so sauher und nett, so gemütlich und warm … ja, die Lina war eine gute Frau, die es verstand, einem das Leben schön zu machen. Und als dann der Peter gekommen war, das süße, goldige Wesen, das er als Soldat leider nur im Urlaub gesehen hatte, da hatte das Glück keine Grenzen mehr gekannt, und er hatte oft gesagt, daß er mit dem Leben mehr als zufrieden sei …
    Er schreckte auf und drückte die Zigarette aus.
    »Ich war abwesend«, sagte er zum Stationsvorsteher. »Wissen Sie, ich kann es noch nicht richtig fassen, daß ich wieder zu Hause bin …«
    Die Tür ging auf, einer der Fahrdienstleiter trat ein. »Der Zug nach Minden fährt ein«, meldete er. Daraufhin erhob sich der Heimkehrer und drückte dem Stationsvorsteher die Hand.
    »Ich danke Ihnen für die Zigarette und den Kognak«, sagte er. »Es war die erste deutsche Zigarette nach langem.« Er warf sich seinen Sack auf den Rücken und wandte sich zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um und sagte: »Es wäre nett, wenn Sie mir 'mal schreiben könnten. Fritz Bergschulte heiße ich, Minden, Ulmenstraße 14.«
    Draußen traf er noch einmal mit dem Beamten zusammen, der ihn zu dem Stationsvorsteher geführt hatte.
    »Sag einmal, Kamerad«, fragte er ihn, »weißt du, warum mich der Vorsteher rufen ließ?«
    »Hat er dir das nicht gesagt?« Der Beamte wunderte sich. »Er hat doch selbst noch einen Sohn in Rußland …«
    Tief in Gedanken ging Bergschulte zum Bahnsteig und sah dem heranfahrenden Zug entgegen, dessen Scheinwerfer in der Nacht wie zwei glühende Augen auf ihn zukamen. Fauchend und quietschend hielt der Zug, die Türen der hellerleuchteten Abteile sprangen auf, der Schaffner rief die Station aus. Umständlich, behindert durch seinen unförmigen Sack, kletterte Fritz Bergschulte
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