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Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mordskind: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Susanne Mischke
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schmatzte Simon ein bißchen und drehte sich um.
    »Komm da raus«, flüsterte Paula und trat rückwärts auf den Flur. »Komm da sofort raus!«
    Er bewegte sich langsam auf sie zu, instinktiv hob sie das Messer wieder.
    »Tu es, Paula«, sagte er. »Es wäre reine Notwehr. Ich will nicht in eine Anstalt. Bitte tu es.«
    Paula brauchte ein paar Sekunden, ehe sie begriff, was er meinte.
    »Nein«, sagte sie, »das kann ich nicht.«
    Ein Geräusch ließ sie beide aufhorchen. Schritte von draußen. Hermann stand jetzt oben an der Treppe, Paula auf dem ersten Absatz unter ihm.
    »Bitte, Paula!«
    »Zu spät. Die Polizei.« Die waren aber wirklich schnell, dachte sie voller Erleichterung. Es polterte auf der Treppe, und plötzlich tauchte das noch immer aschgraue Gesicht Barbaras neben ihr auf.
    »Du?« rief Paula überrascht.
    Barbara antwortete nicht. Sie sah ihren Mann an, der jetzt auf der obersten Stufe hockte.
    »Schau mich an!« forderte sie scharf.
    Er hob den Kopf.
    »Hast du mir irgend etwas zu sagen?«
    Paula konnte nicht anders, sie empfand auf einmal ein verzweifeltes Mitleid mit diesem Mann, aus dessen Augen Tränen zu rinnen begannen.
    »Unser Joschi …«, schluchzte er ganz leise, »warum war er nicht so … wie all die anderen?«
    Von unten, durch die offenstehende Haustür, hörte man eilige Schritte auf dem Kies.
    »Steh auf, Hermann.« Barbaras Stimme klang auf einmal weich. Ihr geschminktes Gesicht war eine groteske Maske, auf die nun der Schatten ihres Mannes fiel, der sich fügsam wie eine Marionette erhob, um gleich darauf wieder zusammenzusacken. als Barbara die Hand hob und den Abzug der Pistole zweimal hintereinander durchzog.
    Die beiden Frauen sahen sich stumm in die Augen.
    Paula ging neben Hermann in die Knie, warme, schlaffe Finger schmiegten sich um den Griff des Messers.
    Als sie wieder aufstand, blickte sie in das Gesicht von Bruno Jäckle.
    »Er war doch Rechtshänder, oder?« fragte sie Barbara.
    Barbara nickte. Jäckle wandte sich ab.
     
    Stadtkurier – Freitag, 12. Mai 1995 / Seite 3
    Neues vom Fall Ullrich:
Leiche des ersten Opfers entdeckt
     
    (sz) – Gestern ließ die Polizei die Terrassenplatten vor der Villa der Ullrichs herausreißen. Man fand dort die Überreste der Leiche von Benjamin Neugebauer, der seit Ende September ’94 vermißt wurde. Zum selben Zeitpunkt wurde die Terrasse vom Täter in Eigenarbeit neu gefliest.
    Barbara Ullrich ist inzwischen aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Es steht fest, daß sie ihren mit einem Küchenmesser bewaffneten Mann in Notwehr erschoß, um Schaden von dem bedrohten Kind und seiner Mutter abzuwenden. Polizei und Staatsanwaltschaft sind der Überzeugung, daß Frau Ullrich von den beiden früheren Kindesmorden ihres Mannes nichts wußte.
    Der Ortsverband der CDU will in einem Monat einen neuen Bürgermeister-Kandidaten wählen, bis zu den Neuwahlen im Herbst bleibt Altbürgermeister Hoffmann im Amt.
    Auf Veranlassung von Staatsanwalt Monz wurde der aus Rußland stammende Kolja Bosenkow, den man zu Unrecht der Kindermorde verdächtigt hatte, ebenfalls aus der Untersuchungshaft entlassen.
    Der Fall Hermann Ullrich hat noch eine weitere Konsequenz: Hauptkommissar Jäckle scheidet aus dem Dienst. Überraschend kündigte Bruno Jäckle von der hiesigen Kripo gestern sein Ausscheiden aus dem Polizeidienst an. Er, der mit der Untersuchung der Kindermorde betraut war, tat dies ohne Begründung. Seine Vorgesetzten und Kollegen bedauern Jäckles Entschluß sehr. »Mit ihm verlieren wir unseren besten Mann«, klagte Dienststellenleiter Dr. H. C. Freudenberg.
    Auch wir, die Redaktion, bedauern diesen Schritt von Hauptkommissar Jäckle, mit dem wir jahrelang eine fruchtbare Zusammenarbeit pflegten. Jäckle erklärte, er wolle sich in Zukunft seiner Passion, dem Trompetenspielen, widmen.
    Die Julisonne wärmte die Backsteinmauern der alten Villa und schickte ein mildes Licht durch die etwas staubige Scheibe des Küchenfensters. Es legte sich wie eine Decke auf den Tisch und weichte die Butter auf dem Frühstückstisch langsam und unbemerkt auf.
    Simon kam aufgeregt die Treppe herunter. Er trug Shorts und ein T-Shirt, das er sich selber angezogen hatte.
    »Mama, darf ich raus?«
    Paula ignorierte das T-Shirt, bei dem die Nähte nach außen zeigten. »Willst du nicht erst was essen?«
    »Vor dem blauen Haus steht ein Möbelwagen.«
    »Ach so. Stimmt, die Brauns ziehen ja heute um. Meinetwegen geh gleich. Aber steh nicht im Weg
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