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Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mordskind: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Susanne Mischke
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lebensfrohe Männer (besonders der junge italienische Internist, dessen Familie ein Weingut im Chianti besitzt!), die es außerdem nicht wagen, mir ins Gesicht zu lügen.
    Denk nicht, ich hätte Euch vergessen, nur weil ich mich nicht gemeldet habe. Ich bin über sämtliche Ereignisse im Bilde, auch wenn Eure Dorfzeitung immer erst drei Tage später hier eintrifft. Daß es mit Doris so ähnlich kommen würde, war vorauszusehen, und ich bin froh, daß es nun vorbei ist, obwohl mich das Ausmaß ihres Wahnsinns doch einigermaßen schockiert hat. Mußte sie denn unbedingt den Weinkeller besudeln?
    Auch wenn Du mich nie so gesehen hast, Paula, ich bin eine alte Frau, deren Zeit abgelaufen ist. Ich muß zugeben, ich bin selbst überrascht – das Alter und der Tod haben mich schneller eingeholt, als ich es je für möglich gehalten hätte. Die Ärzte haben etliche lateinische Namen dafür, aber Du weißt, ich habe noch nie um die Dinge herumgeredet. Mit dem Leben ist es wie mit dem Trinken – man muß wissen, wann man aufhören muß.
    Morgen wollen sie mit den Bestrahlungen anfangen, und was das bedeutet, brauche ich Dir nicht zu erklären. Ich hatte bis jetzt ein wunderbares Leben, und das soll auch bis zum Ende so bleiben, deshalb werde ich mir diese sinnlosen Unannehmlichkeiten ersparen. Ich möchte, daß Ihr mich in lebendiger Erinnerung behaltet und nicht als hirnlosen, verdrahteten Haufen Haut und Knochen. Ich war es stets gewohnt, mein Leben selber in die Hand zu nehmen, warum sollte ich es mit meinem Tod anders machen
    Aber ehe ich ins Schwafeln und Philosophieren gerate, eines sollst Du noch wissen, Paula: Ich habe dich geliebt wie eine Tochter, vielleicht ein wenig anders, aber sicher nicht weniger, und ich bin stolz auf das, was Du aus Dir gemacht hast, auch wenn Du das selbst momentan nicht so siehst. Was Simon betrifft, so gehört er zu den wertvollsten Menschen, die mir je begegnet sind, das kann ich sagen, obwohl er noch so jung ist, und Du, Paula, bist eine gute Mutter und vor allen Dingen aber die beste Freundin für ihn, die ich mir denken kann. Gerade weil Du Dich nicht restlos für ihn aufopferst, schuldet Ihr Euch nichts, und deshalb werdet Ihr auch später noch gute Freunde sein.
    Ich liebe Euch und gehe ohne Bitterkeit. Es war ein schönes Leben!
           Eure Lilli.
    Noch was: Laß es Dir ja nicht einfallen, wegen mir Deine Rolle hinzuschmeißen! Auch wenn ich es nicht gerne zugebe – Du bist mindestens so gut wie ich, vielleicht sogar besser. Zeig’s ihnen.
    Der Applaus prasselte wie ein Gewitterregen. Der Vorhang hatte noch nicht ganz ausgeschwungen, da äugte Barbara Ullrich schon begierig durch den kleinen Schlitz im dicken, roten Samt.
    »Komm her, Paula«, sie wedelte mit der Hand hinter ihrem Rücken, »sieh sie dir an. Sie sind hin und weg.«
    Paula trat neben sie und spähte hinaus in die dichtgedrängten Zuschauerreihen. Die Leute klatschten immer noch. In der ersten Reihe erkannte sie Hermann Ullrich, er saß zwischen Staatsanwalt Monz, dessen Gattin (sie trug einen falschen Brillanten am Busen) und dem Altbürgermeister. Der liebe Hermann, dachte Paula mit gutmütigem Spott, er strahlt beinahe so wie letzten Sonntag, als er die Bürgermeisterwahl gewonnen hat. Zwei Reihen dahinter sah sie Weigand und seine Frau Inge im Selbstgenähten und mit einer Wellenfrisur, die an Panzerspuren im Lehmboden erinnerten. Ganz am Rand, wie er es gewollt hatte, lockerte Bruno Jäckle eben seine gestreifte Altmännerkrawatte, neben ihm erkannte sie Werner Hofer im Smoking, ein wenig übertrieben, fand sie, und seine junge Frau in einem feuerwehrroten Kleid mit Rüschenärmeln. Der Platz in der Mitte der ersten Reihe war frei, das heißt, nicht ganz. Ein großes Blumengebinde stand darauf, weiße Rosen mit blauen Lilien, dazu goldene Lettern auf rotem Band:
    Zu Ehren von Lilli Lévidat-Schimmel –
wir werden Dich nie vergessen!
    Das war Barbaras Idee gewesen, und Paula fand sie irgendwie rührend.
    »Wollen die denn nicht in die Pause gehen? Die sollen sich den Beifall für den Schluß aufheben«, murmelte Paula.
    »Sie werden«, verkündete Barbara enthusiastisch. »Und wie sie werden! Das gibt mindestens zehn Vorhänge.«
    Oh ja, dachte Paula und mußte heimlich lächeln, es wird wieder Blumensträuße und Schecks regnen. Ach, wenn doch Lilli hier sein könnte! Wie königlich würde sie dieses Provinzspektakel amüsiert haben.
    Das Klatschen ebbte ab, die Zuschauer strömten zu den Ausgängen,
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